Servus-Sommerfrische im Murtal – Tag 3: Auf den Spuren der Stadtgeheimnisse von Judenburg
Ein neuer Tag frohlockt mit blauem Himmel und Sonnenschein und mit ihm unser Tatendrang, Neues zu erkunden. Unser heutiges Ziel ist die Stadtgemeinde Judenburg. Sie liegt malerisch eingebettet zwischen bewaldeten grünen Hügeln am südlichen Rand eines weitläufigen Alpenbeckens.
Rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner fühlen sich hier heimisch, und dieses Gefühl springt bereits bei den ersten Schritten, die wir aus dem Parkhaus im Zentrum machen, auf uns über.
Wir durchqueren viel verzweigte Altstadtgassen, in denen sich ein Häuschen an das andere schmiegt, und die wenigsten von ihnen auch nur eine einzige gerade Mauer besitzen. „Das liegt daran, dass damals zum Häuserbau unterschiedlich geformte Steine verwendet wurden und die Wände dadurch immer einen leichten Bogen hatten“, erklärt unsere Stadtführerin Claudia von Murtal Tourismus. In Schieflage kommen auch gleich unsere Köpfe, als der Stadtturm, DAS Wahrzeichen von Judenburg, in unser Blickfeld gerät.
Hoch hinaus
In Notre Dame war’s der Glöckner, in Judenburg der Turmwächter, der immer die Stellung hielt. Auch in wortwörtlich „brandgefährlichen“ Zeiten. Denn der Stadtturm brannte in all den Jahren mehrmals zu großen Teilen nieder. Aber der Reihe nach. Zuerst steigen wir erst mal die 254 Stufen hinauf bis ins oberste Stockwerk des Turms, wo uns bereits Rudolf Lorenz, ein absolutes Judenburger Original, erwartet. Der Urgroßvater des 1930 geborenen rüstigen Pensionisten war der letzte „Brandwächter“ des Stadtturmes. Rudolf selbst wurde sogar im Turm geboren und wohnte die ersten acht Jahres seines Lebens mit seinen Eltern und vier Geschwistern auf, für heutige Verhältnisse, recht engem Raum in der Turmwohnung.
„Wenn wir als Kinder abends zu lange draußen gespielt haben, saß uns die Angst beim Heimkommen jedes Mal ein wenig im Nacken. Die Stiegen waren ja nicht beleuchtet, und wir mussten uns im Finstern Stufe für Stufe nach oben tasten. Tierische Begegnungen mit Ratten oder Fledermäusen inklusive“, erzählt die sympathische Stadtlegende.
Hilfe, es brennt!
Rudolfs Urgroßvater schlug bestimmt auch das eine oder andere Mal das Herz bis zum Hals. Er war als Brandwächter dafür verantwortlich, die ganze Nacht über im 15-Minuten-Rhythmus Ausschau nach Bränden in der Stadt zu halten. Entdeckte er einen solchen, musste er mit einer roten Laterne und einer handbetriebenen Sirene Alarm schlagen.
Da es damals noch kein elektrisches Licht gab, waren Kerzen Brandursache Nummer eins. Auch der Turm selbst, der Anfang des 15. Jahrhunderts erbaut wurde und stattliche 75 Meter misst, blieb davon nicht verschont, er wurde fünfmal, immer in etwas anderer Form, neu aufgebaut.
Seit November 2006 beherbergt der Stadtturm das höchstgelegene Planetarium der Welt.
Steirisches Sternderlschaun
Vom Blick in die Ferne geht es jetzt zum Blick auf die Sterne. Wir sitzen in bequemen Polstersesseln, die Rückenlehnen ganz nach hinten gestellt, und lassen uns von den leuchtenden Himmelskörpern auf der Leinwand in Kuppelform beeindrucken, während draußen die Sonne Judenburg in helles Licht taucht. Hier hat definitiv die Nachmittagsstund Gold im Mund!
Gold ist auch gleich das nächste Stichwort, denn es geht weiter ins Stadtmuseum.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Das wussten auch die Kaufleute im 13. und 14. Jahrhundert. Judenburg war einst ein wichtiges Handelszentrum aufgrund seiner Lage zwischen Mittelmeer- und Donauraum. Die Stadt hatte dadurch einige bedeutende wirtschaftliche Privilegien. Der einstige Reichtum der Handelsstadt spiegelt sich nirgendwo eindrucksvoller wider als in den zahlreichen erhaltenen historischen Bauten im Bereich der Altstadt, etwa den heute liebevoll restaurierten Bauensembles am Hauptplatz, wo auf den Wochen- und Jahrmärkten einst Kaufleute ihre Waren feilboten.
Es wurden Gesellschaften von den Handelsleuten gegründet, die in der Folge Goldbergwerke in der Region kauften, wo dann die sogenannten „Judenburger Gulden“ geprägt wurden – ein weitläufig anerkanntes Zahlungsmittel, das man auch heute noch erwerben kann, wie wir beim Blick auf ein Schaufensterplakat feststellen.
Oder aber man legt, so wie wir, selbst Hand an und prägt sich im Stadtmuseum seine Münze selbst. Die besteht natürlich nicht aus echtem Gold, sondern aus Bronze, ist mit rund 25 Euro aber schon auch ein bisschen wertvoll – für Sammler zumindest.
Stadtgeflüster
Wir sammeln heute wenige Münzen, dafür aber viele Schritte. Vom Museum führt uns Claudia über das ehemalige jüdische Viertel, rund um die Heiligengeistgasse, vorbei am ehemaligen Minoritenkloster, zu dem es eine interessante Anekdote gibt: „Im 13./14. Jahrhundert gab es in Judenburg insgesamt drei Klöster, wovon eines, das der Klarissinnen, unten an die Mur gebaut wurde. So konnten die Nonnen die Wäsche der Mönche aus den anderen Klöstern brav im Fluss waschen“, erzählt Claudia.
Ohne Wäsche im Gepäck, dafür mit einem Lächeln im Gesicht, werfen wir einen Blick auf die grüne Mur, die in schönem Kontrast zum hellblauen Himmel talabwärts fließt.
Mit fließenden Bewegungen machen wir uns auf zu unserer letzten Station des Tages: der alten Landschafts-Apotheke, die ein ganz eigenes Flair versprüht.
Zwischen Pulvern und Tinkturen
Herzlich werden wir von Inhaberin Valerie Odelga im Innenhof der Apotheke empfangen. Der Vierkanter allein ist ein optischer Genuss für sich. Die Weinreben ranken sich die Fassade hinauf, bis sie von blühenden Pelargonien am Weiterwachsen gehindert werden. Der Geruch von Lavendel und Zirbe liegt in der Luft, und ja, vielleicht ist auch ein bisschen Desinfektionsmittel dabei, aber das tut dem Nostalgiegefühl keinen Abbruch. Und schließlich muss das in einer Apotheke ja auch so sein.
Vor rund 500 Jahren wurde die Landschafts-Apotheke in Judenburg gegründet. Damals gab es noch keine Studien, Testreihen oder Kennzeichnungspflichten. Da reichte noch ein „Hilft gegen“ oder „Tut gut bei“, und die Medizin kam nicht aus Laboren, sondern meist aus dem Heilgarten der Natur. Dieser natürlichen Kräfte besinnt man sich zunehmend wieder, und Valerie kann dem durchaus etwas abgewinnen. Vor allem sehr gern dann, wenn es um das Einbinden der Zirbe geht. Diese verarbeitet sie in Duftölen, Cremen und Salben sowie in einer speziellen Kosmetikserie.
Apothekern wie damals
Eine Prise hiervon, ein Löffelchen davon, das ganze schnell im Mörser zerstoßen und mit klarer Flüssigkeit in einem großen Gefäß aufgekocht – was ein bisschen nach dem Zaubertrank aus Asterix & Obelix klingt, war früher gang und gäbe. „Natürlich wurden die einzelnen Zutaten, Kräuter und Essenzen nicht einfach wahllos zusammengemixt, aber es war schon auch ein gewisses Risiko bei der Herstellung von heilenden Mitteln gegeben. Besonders was die Dosierung betroffen hat“, berichtet Valerie, während sie ein leicht angestaubtes Metallkästchen in die Höhe hält.
Wir dürfen nämlich ihren größten Schatz begutachten – eine Sammlung alter Apotheker-Utensilien, die seit Generationen weitervererbt wird. „Diese Dose haben wir sogar mit Inhalt gefunden. Darin befinden sich alte Bleipflaster, die in kleine Röllchen verpackt sind. Wahnsinn, dass die so lange überlebt haben“, erzählt die fröhlich lächelnde Apothekerin.
Auch die alten, nur leicht angerosteten Waagen in der Ecke beweisen, dass Zeit hier nicht so ins Gewicht fällt. Das lässt uns auf das Beste hoffen, wenn wir uns nach einem erlebnisreichen langen Tag ins Bett legen und die Augen für den Schönheitsschlaf schließen. Hoffentlich sind unsere müden Glieder morgen früh dann auch nur ganz leicht an-, ähm, eingerostet...
Tipp: In den sogenannten "Highlights" unseres Instagram-Kanals (die runden Reiter unterhalb der Profilbeschreibung) haben wir unsere Sommerfrische in zahlreichen Videos dokumentiert, sodass man einen noch lebhafteren Eindruck von unseren Erlebnissen erlangt.