Hausbesuch bei einem Tischler im Mölltal
Sie hat schon eine mächtige weiße Haube auf, und wenn es noch ein paar Tage heftig schneit, wird sie bald eins werden mit der Landschaft und aussehen wie ein sanfter Hügel zum Runterrodeln. Jetzt können wir die kleine Hütte aber noch gut sehen, und so stapfen wir zielstrebig auf sie zu. Vor uns öffnet sich breit das Mölltal. Hinter uns ragt das Kirchturmspitzerl von Heiligenblut in den Himmel sowie groß und mächtig der Großglockner, mit 3.798 Metern Österreichs höchster Berg.
Ein bombastisches Panorama, das der Mann, der uns nun hereinbittet, immer vor Augen hat, wenn er die Türe öffnet. „Kommts rein“, sagt Mani und amüsiert sich über unseren skeptischen Blick: Hier drin, auf knapp 30 Quadratmeter Wohnfläche soll alles sein, was man zum Leben braucht, und noch ein bisserl mehr?
Am Ende des Zweifelns steht oft das Staunen. Mani Kanzian, der begabte Tischler und Planer, der im ganzen Mölltal aufgrund seiner Ideen und Fertigkeiten bekannt ist, hat tatsächlich eine Art Puppenhaus für Erwachsene geschaffen, in dem man wunderbar leben kann.
Der Grundriss beträgt nur vier mal fünf Meter. In die Wände aus altem Fichtenholz sind helle Lärchenfensterln eingesetzt. Links neben der Eingangstür hat Mani eine Küchenzeile gebaut, die aus einem Einbaukühlschrank, einem Elektrokochfeld, einer Abwasch und ein paar Kästchen besteht. Moderne Küchengeräte sucht man vergebens. „Aber das war auch nicht die Idee. Ich wollte wissen, wie viel Hütte der Mensch braucht, um in der Natur zu leben und in sich zu ruhen“, erklärt der Bauherr.
Der Ofen gehört in die Mitte
In der Mitte des Raumes steht ein alter Holzherd. Er ist Heizung und Kochstelle zugleich. „Auch deshalb wollte ich was Eigenes machen“, sagt Mani. Da er gern und oft in den Bergen unterwegs ist, kennt er so manche zweckmäßige Unterkunft. „Die meisten setzen den Ofen an die Wand, weil es einfacher zu bauen ist, wegen des Kamins. Aber das ist Blödsinn. Ein Herd gehört in die Mitte des Raumes. Aus sozialen Gründen wie aus heiztechnischen“, erklärt er uns.
Muss wohl stimmen. Wir fühlen uns über die Maßen wohl, und der knisternde Ofen erwärmt gleichmäßig jedes Eck. So auch den Essbereich mit dem Jogltisch. „Da ist schon so manche größere Runde beisammengesessen und hat sich’s gut gehen lassen“, sagt der Hausherr und lacht. Auch die Tante seiner Frau, die Gretel, komme des Öfteren vorbei. „Dann kocht meine Manu den traditionellen Schweinsbraten nach Gretels Rezept, und es duftet wie in meinen Kindertagen“, schwärmt Mani.
Während wir so plaudern, schauen wir uns noch ein bisschen um. Sogar zwei Sofas haben hier im Erdgeschoß Platz. Eines befindet sich rechts neben der Eingangstür – Mani macht es sich drauf gern bequem, um zu lesen –, das zweite schließt gleich an die Essecke an. Und von hier, man glaubt es kaum, führt auch noch eine Tür in ein winziges Bad. Aber alles da: Dusche, Waschbecken, WC.
Mani errät den suchenden Blick seiner Gäste sofort – Stauraum gibt’s überall dort, wo man es nicht vermutet. Der Kleiderschrank ist kaum sichtbar in die Holzwand integriert, Kästchen und Laden befinden sich außerdem unter den Sofas und unter der Essbank, plötzlich tut sich jede Menge Platz auf.
„Und da ist die Apotheke“, sagt der ge lernte Tischler, öffnet ein Kasterl oberhalb des Sofas und zeigt uns seine Medizin: ein Flascherl Zirbener, ein herrlicher Enzian und der beste Vogelbeer der Gegend. „Alles, was die Leut früher gebraucht haben, wenn sie das Zipperlein geplagt hat. Heute ist es eher zum Feiern gedacht“, sagt Mani und lacht.
„Ich wollte wissen, wie viel Hütte der Mensch braucht, um in der Natur zu leben und in sich zu ruhen."
Wie in einer hellen Höhle
Will man sich im Schlafzimmer zur Ruhe begeben, darf man jedenfalls nicht zu tief ins Glas schauen. Das breite Doppelbett befindet sich nämlich direkt unter dem Dachgiebel, man erreicht es nur über eine Leiter. Weil Mani keine durchgehende Decke eingezogen hat, hat man des Gefühl, in eine kleine Höhle zu kriechen. Da der Schlafbereich jedoch offen ist, gibt’s genug Licht, und die wohlige Wärme des Ofens ist auch noch zu spüren.
Was der Hausherr an seiner Konstruktion aber ganz besonders schätzt, ist das große Giebelfenster, das er eingebaut hat. „Damit ich gleich nach dem Aufwachen den Glockner sehen kann. Wenn dann die Sonne aufgeht, würd ich am liebsten mit einem Satz in die Bergschuh’ springen und losmarschieren“, erzählt er voll Glück, bevor wir wieder auf sein Lieblingsthema zurückkommen: Holz im Allgemeinen und altes Holz im Speziellen.
Während Manu nun auch uns den berühmten Schweinsbraten serviert, erzählt uns ihr Mann seine Geschichte. „Mich haben schwierige Aufgaben schon immer gereizt. Wenn es zum Beispiel darum ging, in einem neun Quadratmeter großen Raum mit drei Fenstern, zwei Türen und einer Schräge auch noch eine Küche unterzubringen, dann war das was für mich“, sagt er und lacht. So kam es, dass mit der Zeit im mer öfter Architekten und Planungsbüros den einfachen Tischler um Hilfe baten. Und er letztlich dafür verantwortlich ist, dass nicht wenige Häuser im Mölltal seine Handschrift erkennen lassen.
Gutes aus heimischen Wäldern
Wo immer es geht, verwendet Mani altes Holz. „Ich fahr seit Jahren durch unser Tal, hamstere es und bringe es wieder auf Vordermann“, sagt er. „Ich nehme aber nur, was bei uns wächst. Also hauptsächlich Lärche, Fichte und Zirbe. Dieses Holz ist nämlich den Witterungsbedingungen angepasst und bringt lebenslange Freude.“
Manis kleine Hütte ist das sichtbare Zeichen seiner Philosophie. Die Außenwände und die Dachkonstruktion hat eine Mölltaler Holzbaufirma wie bei einem modernen Niedrigenergiehaus errichtet. Zwischen den alten Lärchenbalken kann genug Luft zirkulieren, Dämmung ist eingearbeitet. So kann keine Feuchtigkeit entstehen.
Wollen er und Manu eigentlich ständig hier wohnen? „Nein“, sagen beide. „Aber es macht Spaß, die große Wohnung immer wieder mit der kleinen Hütte zu tauschen.“ Und wer weiß, vielleicht zieht eines Tages ja die Tante Gretel hier ein. „An sie hab ich gedacht, als ich das hier gebaut hab. Sie weiß von uns allen am besten, dass wahre Lebensqualität oft in der Einfachheit zu finden ist.“
So wird's gemacht: Wie man auf wenig Platz viel Platz schaffen kann
Weniger ist mehr. Überladen Sie den Raum nicht. Auch nicht mit Deko. Lieber ausgesuchte Gegenstände und Möbel wirken lassen.
Stauraum schaffen. Ein Tisch mit Schublade fürs Besteck, ein Sofa mit Bettzeuglade - solche Möbel helfen, Platz zu sparen.
Verstecken und integrieren. Ob unter dem Bett oder in der Nische einer Wand - fast überall lässt sich etwas unterbringen.
Hinter die Tür. Nichts herumstehen lassen. Alles sollte in Kästen und Laden aufbewahrt werden.
Was brauche ich wo? Ordnen Sie die Dinge so ein, dass Sie sie schnell auf sie zugreifen können.
Dieser Hausbesuch erschien erstmal in Servus in Stadt & Land im Jänner 2015.
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