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Brauchtum

Mit 9 alten Silvesterbräuchen in die Zukunft blicken

Wie die Menschen es anstellten, zum Jahreswechsel mit Orakelbräuchen einen Blick ins neue Jahr zu werfen.

Neujahr, Orakel, Zukunft lesen
Foto: Andreas Posselt

Die Sehnsucht ist uralt und erfasst Jahr für Jahr zu Silvester jeden von uns: Könnte man doch nur einen Blick in die Zukunft werfen und erahnen, was das neue Jahr bereithält! Die Tage rund um den Jahreswechsel gelten seit jeher als Lostage, als Tage des Wandels und der Ungewissheit. Und vor allem als Tage, an denen man dem Schicksal ein wenig besser als sonst in die Karten schauen kann. So kommt es, dass sich auch bei uns im Lauf der Jahrhunderte zahllose Orakel- und Weissagungsbräuche rund um Silvester entwickelt haben – die meisten von ihnen überregional, manche nur auf eine Gegend beschränkt.

Die Zukunftsfragen, auf die Menschen stets Antworten suchten, hatten viel mit dem traditionellen Leben im Jahreszeitenrhythmus zu tun: Wie wird das Wetter? Wie steht’s mit Wohlstand und Glück, mit Ernte und Gesundheit? Ein ganz und gar universelles Thema aber war stets wichtiger als alle anderen: Wie wird’s im neuen Jahr mit der Liebe? Die Pflege der Orakelbräuche diente nicht nur dem Blick in die Zukunft, sondern auch der Unterhaltung. Es spricht also mindestens ein Augenzwinkern dafür, dem einen oder anderen dieser oft vergessenen Bräuche neues Leben einzuhauchen.

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1. Zwiebelschalen-Orakel

Eine Wetterweissagung der geruchsintensiveren Art ist das Zwiebelorakel, das etwa in Vorarlberg gepflogen wurde. Man schneidet eine Zwiebel in zwei Hälften, nimmt aus jeder Hälfte sechs gewölbte Zwiebelschnitze, legt sie der Reihe nach auf – eine für jeden Monat des neuen Jahres – und bestreut jede mit einer guten Prise Salz. Je nach Brauch lässt man sie nun einige Stunden oder über Nacht stehen. Die Silvesternacht galt dabei als besonders zukunftsweisend.

Servus Mondpost

Die Deutung geht so: Die Schalen, in denen das Salz tags darauf noch trocken ist, werden trockene Monate. Wo es feucht ist, gibt es einigen Regen, und wo es sich zur Gänze im Wasser aufgelöst hat, darf man für den entsprechenden Monat mit pitschnassem Wetter rechnen.

2. Was gut anfängt, geht auch gut weiter

An dieses Prinzip glaubten bereits die alten Römer: Der „Angang“ des neuen Jahres ist immens wichtig und mit ihm auch die erste Person, der man zu Neujahr begegnete. Aus ihr glaubte man darauf schließen zu können, was die nahe Zukunft für einen bereithalte. „Den Wienern war es am liebsten, zuerst einen Buben zu treffen.

Alte Frauen und Nonnen hingegen waren in dieser Hinsicht unbeliebt“, schreibt Helga Maria Wolf in „Verschwundene Bräuche“. Denn die Begegnung mit einem Kind deutete man als Zeichen für eine Zukunft voller Vitalität und Lebenskraft, die mit Alten, Kranken oder wenig Begehrten als Hinweis auf Verfall und wenig Aussicht auf kommendes Liebesglück.

3. Hütlheben

Das Hütlheben darf als die Allzweckwaffe unter den Neujahrsorakelbräuchen gelten – zuständig für Zukunftsvorhersagen in allen Belangen des Lebens. Es war einmal sehr weit verbreitet. Neun Hüte kommen auf den Tisch, unter jedem – oder auch nur unter acht von ihnen – ist ein Gegenstand verborgen, der einen Lebensbereich symbolisiert: ein Püppchen für Kindersegen etwa, eine Münze für Reichtum, eine Zwirnspule für langes Leben, ein Ring für Heirat, ein Schlüssel für Hauserwerb usw.

Der, der das Orakel befragen will, geht kurz vor die Tür, während die Hüte durcheinandergemischt oder die Symbole darunter vertauscht werden. Dann kommt der Wartende zurück und lüftet einen Hut. Was er darunter findet, soll Aufschluss übers kommende Jahr geben. Lüftet er oder sie den leeren Hut, könnte das gar den Tod bedeuten. In Krimml im Salzburger Pinzgau heißt eine Abart des Hütlhebens „Lessln“ und wird bis heute gelegentlich in der Thomasnacht praktiziert.

4. Die Zukunft in einer Schale Milch

Die Samper oder Sampermutter ist eine vor allem im niederösterreichischen Most- und Waldviertel bekannte Perchtenfigur, um die sich allerlei Sagen zum Jahresbeginn ranken und die ihre Ursprünge wohl in weiblichen Gottheiten aus heidnischer Zeit hat. Auf diese „Sampamuatta“ geht auch der Mostviertler Brauch der „Sampamüch“, also Sampermilch, zurück: Am Abend vorm Dreikönigstag aßen alle Haushaltsmitglieder gemeinsam aus einer Schüssel warme Milch mit Semmeln und ließen etwas davon übrig.

Die verwendeten Löffel wurden gereinigt und so auf den Schüsselrand gelegt, dass sie in Balance blieben. War in der Früh ein Löffel heruntergefallen, würde sein Besitzer das Haus bald verlassen. Fand man neue Milchspuren auf einem der gesäuberten Löffel, freute man sich, weil das hieß, dass die Samper nachts vorbeigeschaut und gegessen hatte. Das bedeutete Glück fürs neue Jahr.

5. Patschen- und Schuhwerfen

Wenn Patschen oder Schuhe geworfen werden, steht erfahrungsgemäß eher das Ende als der Anfang einer Liebe bevor. Nicht so hier: Beim Patschenwerfen, das besonders in der Silvester- und der Thomasnacht von Unverheirateten gepflogen wurde, dient das Schuhwerk als Hilfsmittel, um einen Blick in die eigene häusliche Zukunft zu erhaschen.

Man wirft einen Patschen rückwärts über den Kopf – oder je nach Aberglaube über die rechte oder linke Schulter – Richtung Tür. Weist die Schuhspitze nach draußen, darf das als Zeichen für das baldige Auftauchen eines Heiratskandidaten und den eigenen Auszug aus dem (Eltern)haus gedeutet werden. Das Patschenwerfen war ein weit verbreiteter Brauch, unter anderem auch in Oberösterreich und Salzburg.

6. Apfelschalen-Werfen

Ähnlich gebräuchlich wie das Patschenwerfen war im Alpen- und Voralpenraum das Apfelschalenwerfen. Bei diesem Liebesorakel für die Neujahrsnacht wollte man es schon etwas genauer wissen und idealerweise einen Hinweis auf den Namen des Zukünftigen – oder zumindest des Verehrers – bekommen.

Dafür muss man einen Apfel möglichst kunstvoll und ohne Absetzen spiralförmig schälen, die Schale hinter sich werfen und dann aus der Form, in der die Schale auf dem Boden zu liegen kommt, den Anfangsbuchstaben eines Namens herauslesen. Funktioniert auch mit Kartoffelschalen, verschwendet keine Lebensmittel und gewinnt der Kocharbeit magischen Mehrwert ab.

7. Scheitlziehen

Weil man schließlich nicht nur wissen will, ob das neue Jahr einen Bräutigam bringt, sondern auch, was man von dessen Aussehen zu erwarten hat, gab es das Scheitlziehen, das in verschiedenen Varianten existierte. In der üblichsten stellte oder setzte man sich mit dem Rücken vor einen Holzstoß, griff nach hinten und zog ein Scheit hervor. Erwischte ein Mädchen etwa ein recht krummes Scheit, hatte es wohl mit einem buckligen Zukünftigen zu rechnen, bei einem großen, geraden Scheit mit einem stattlichen und bei einem bauchigen Scheit mit einem eher rundlichen Verehrer.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Span- oder Scheitlziehen etwa beim unverheirateten bäuerlichen Gesinde oder bei Hausangestellten in der Stadt ein beliebtes Unterhaltungsspiel.

8. Bibelstechen

Unendliche Möglichkeiten für Zukunftsprognosen bot der alte, weit verbreitete Silvesterbrauch des Bibelstechens. Dafür musste man nichts anderes tun, als eine Bibel mithilfe einer Nadel, eines Messers oder des eigenen Daumens an irgendeiner Stelle aufzuschlagen, blind mit dem Finger an eine Textstelle zu fahren, diese zu lesen und zu deuten.

Besonders Fromme vermuteten darin göttliche Fingerzeige auf Ereignisse des kommenden Jahres – vor allem in Kombination mit zuvor gestellten Fragen.

9. Ringe im Brot

Einen Orakelbrauch, um den Erntesegen des neuen Jahres vorherzusehen, gab es in einigen Kärntner Gegenden wie dem Lavanttal rund um das letzte Brotbacken des Jahres. Dabei wurde, so Inge Friedl in „So war’s der Brauch“, das sogenannte „Quatemberbrot“ gebacken. Es war ein besonders großer Laib, der als Erster in den Brotofen und als Letzter herauskam und der laut Aberglauben besondere Kräfte besaß.

Mancherorts wurden mit einem Wursthorn – also einem breiten Ring fürs Darm-Aufspannen beim Wurstmachen – so viele Ringe in den Teig des fertig geformten Brots gedrückt, wie darauf passten. Die Zahl der Ring-Abdrücke auf dem Quatemberbrot sollte Rückschlüsse darauf erlauben, wie viele volle Getreideschober es im kommenden Jahr geben würde. Das Brot wurde bis zu Aussaat und Viehaustrieb aufgehoben und jedem Tier ein Stück davon verfüttert – zum Schutz vor Krankheit und Unglück.

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