Hausbesuch im Mölltal
So heimelig und einladend die holzgetäfelte Stube gleich links vom Eingang auch ist und sosehr sich der gemauerte Kamin darin knisternd bemüht, wohlige Stimmung zu verbreiten, um die Gäste hereinzulocken – diese bleiben auch an diesem strahlend schönen Wintertag einmal mehr gleich nach dem Betreten des Hauses in der Küche hängen. Und dies wieder einmal deutlich länger als von der Hausfrau vorgesehen.
Ein häufiges Phänomen in Wohnungen und Häusern egal welcher Größe: Die Küche ist das Zentrum der Kommunikation. Jedoch in diesem prachtvollen Anwesen auf 1.680 Meter Seehöhe zwischen Döllach im Mölltal und Heiligenblut am Fuße des Großglockners liegt das geradezu auf der Hand. Denn gleich nach dem Hereinkommen steht man in einem Vorraum, der eins wird mit der großen offenen, lichtdurchfluteten Küche. Und diese ist alles andere als ungemütlich. Gleichzeitig spielt sie alle Stückerln, die man sich als Hausfrau oder Hausmann nur wünschen kann.
Eine gar nicht einsame Insel
Neben der Abwasch aus poliertem Edelstahl und dem Gasherd mit den acht Flammen schmiegt sich eine geschwungene Bank ins Eck, und mit den zwei zusätzlichen Hockern bietet der runde Tisch gemütlich Platz für acht bis zehn Personen.
Durch die zahlreichen Fenster lacht an diesem Nachmittag mild die Wintersonne, und mitten im Raum thront eine Insel mit großer Arbeitsplatte, die oft und gerne zweckentfremdet wird, etwa um Gläser, Flaschen oder Teller auf ihr abzustellen.
„Improvisierte Steh und Sitzpartys auf meiner gar nicht einsamen Kücheninsel“, nennt Hausherrin Susan diese Stelldicheins und rührt vergnügt im Topf. „Ich mag das, weil es so kommunikativ ist. Auch wenn mir die Leute beim Kochen ab und zu ein wenig im Weg stehen. Aber egal, hier in der Küche gibt es den Willkommensschluck, und der zieht sich eben mitunter in die Länge.“
Vor vielen Jahren schon haben Susan und ihr Mann Wolfgang hier in der Region und aus Liebe zu Kärnten ein Bauernhaus erworben und zum Ferienhaus erweitert, ehe sie die pure Lust am Bauen(lassen) und Planen dazu bewog, ein zweites Domizil zu errichten. Und das buchstäblich auf der grünen Wiese. Denn dort, wo dieses Refugium heute steht, standen noch vor knapp drei Jahren ein stattlicher Baum und einige Büsche.
Ein neues Haus also – und dennoch ur alt. Zum Teil jedenfalls. Die Idee war, mit altem Holz ans kreative Werk zu gehen. Mit uraltem Holz. Und so haben sich Susan und Wolfgang auf die Suche nach einer Scheune gemacht, die zum Verkauf stand. „Der Stadel, den wir ganz in der Nähe im Talent deckt und schließlich erworben haben, stammt aus der Zeit um 1600. Eigentlich war er schon dem Verfall preisgegeben“, erzählt Susan, eine Kunsthistorikerin mit großem innenarchitektonischen Talent und einem Auge für das Schöne.
Nicht ein Stück war morsch
Mit Klaudius Granitzer, einem Tischler aus der Region, hatten Susan und ihr Mann schließlich einen Experten an der Hand, der sogleich Feuer und Flamme war für das ehrgeizige Projekt. Und so wurden die Balken, Bretter und Stämme, allesamt aus massivem Lärchenholz, erst nummeriert und danach sorgsam Stück für Stück und zum Teil von Hand abgetragen und in weiterer Folge auf die Anhöhe transportiert.
Kein leichtes Unterfangen und zudem sehr zeitintensiv, zumal die Straße hinauf auf den Hang eng und steil ist. „Außerdem war es sehr viel Holz“, erzählt Susan. „Wie viel genau, wissen wir nicht mehr. Der Tieflader war jedenfalls dreimal unterwegs.“ Zumindest so weit, wie das Fahrzeug kam. Auf den letzten Kilometern musste man sich schließlich wendigerer Transport mittel bedienen, um das kostbare Holz in vielen Fuhren ans Ziel zu bringen. Ein Holz, das trotz seines Alters von mehr als 400 Jahren noch bestens erhalten war. „Nicht ein einziges Stück war morsch“, versichert die Bauherrin.
Oben am Ziel angelangt, wurde schließlich kein einziger der Balken zersägt, gehackt oder sonstwie passend gemacht – der Stadel wurde tatsächlich originalgetreu auf dem betonierten Erdgeschoß neu aufgestellt. Bloß die kunstvoll geschnitzten Balkone sind neu, was man nicht zuletzt an der noch sehr hellen Farbe des Holzes erkennt.
Ebenfalls extra angefertigt wurden die Dachrinnen aus geölten Baumstämmen und das Dach – natürlich mit unzähligen handgemachten Lärchenschindeln. Das alte Holz wurde lediglich neu eingelassen, damit der Holzwurm auch in Zukunft einen Bogen darum macht. An der Originalfarbe beispielsweise wurde nichts verändert, um dem Traum vom „alten“ Haus möglichst nahe zu kommen.
Kein einziger Balken wurde zersägt, gehackt oder sonst wie passend gemacht - der alte Stadel wurde tatsächlich originalgetreu neu aufgestellt.
Eine Badewanne mit Fernblick
Innen hat der Stadel freilich nichts mehr mit jenem aus längst vergangenen Zeiten zu tun. Doch bleiben wir bei unserem Rund gang vorerst noch kurz im Erdgeschoß, wo sich neben der imposanten Wohnküche und der Stube eines von insgesamt vier Schlafzimmern und zwei der ebenfalls vier Badezimmer befinden.
Eines davon, das große mit der integrierten Sauna, sticht gleich ins Auge, steht doch mitten im Raum eine nicht alltägliche Badewanne aus Kupfer. „Einer meiner Lieblingsplätze“, sagt Susan. Und man kann sie gut verstehen, schließlich gibt es von der Wanne aus durch eine fast vier mal drei Meter große Wand aus Glas einen herrlich freien Blick ins Grüne. Oder ins Weiße. Je nach Jahreszeit.
Während Böden, Wände und Decken im Schlafzimmer und in der Stube aus neuem, geschickt auf alt getrimmtem Massivholz sind, ist der Boden in der Wohnküche aus französischem Sandstein. Wie auch die Böden und die Wände in den vergleichsweise modernen Badezimmern, die – alle in unterschiedlichen Grautönen – ungemein viel Behaglichkeit ausstrahlen. „Dieser Sandstein wurde auf verschiedene Arten geschliffen. Dadurch ergaben sich die verschiedenen Farbtöne“, erklärt Susan.
Zwei ins Dach integrierte Schlafkojen
Generell sind es die Liebe zum Detail und die geschickte Mischung aus Kitsch und Kunst, Altem und – in den Bädern und der Küche – auch Modernem, die diesem Haus so viel Charme einhauchen.
Die Lampen neben den Betten beispielsweise, die auf ausrangierte Holzski montiert sind, oder die schlichten, von Altwarenhändlern zusammengetragenen Griffe, Beschläge und Türschlösser aus Schmiedeeisen, dazu die alten Bauernkästen, die Gemälde oder die Schnitzereien an den Wänden. „Wir wollten“, sagt Susan, „das Haus auch innen der Gegend anpassen. Wir wollten keinen Fremdkörper schaffen.“ Das scheint gelungen.
Erklimmt man nun über die zu einer Seite hin frei stehende Holzstiege das Obergeschoß, sprich: den alten Heuboden, dann steht man in einer Art Vorraum, der in mehr als zehn Meter Höhe spitz in den Dachgiebel mündet. Von hier aus gehen vier Türen weg, dazu eine weitere, sehr steile Stiege und eine schmiedeeiserne Leiter. Hinter zwei der Türen befinden sich Badezimmer, vom Stil her jenen im Erdgeschoß ähnlich.
Hinter der dritten Tür liegt ein Schlafgemach, und durch die vierte betritt man ein großes Wohnzimmer mit offenem Kamin. In der Mitte steht eine Sitzgarnitur mit schweren Möbeln und im Eck ein Ohrensessel, mächtige Teppiche liegen auf dem Holzboden.
Fehlen noch zwei der bereits erwähnten vier Schlafräume: Den einen erreicht man über eine Leiter, über eine steile Stiege den anderen.
Wobei es sich in beiden Fällen nicht um geschlossene Räume handelt, sondern um zwei große, einander auf gleicher Höhe gegenüberliegende, in die Dach schrägen integrierte offene Kojen mit Geländer. Für Kinder ein Abenteuerspielplatz.
„Zu Tisch!“, ruft Susan aus der Küche. „Aber wir sitzen ja schon“, sagt einer der Freunde, die an diesem Tag zu Gast sind. Susan gibt sich geschlagen und lächelt. Sie verschwindet kurz in der gut geheizten, gemütlichen Stube nebenan, um Besteck und Geschirr vom längst gedeckten Tisch zu holen und sagt: „Na gut, dann bleiben wir eben hier.“ Wieder einmal.
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