Martin Leitner und sein Weinraute-Schmuck aus Judenburg
Eigentlich ist Martin Leitner Doktor der Physik. Aber seit seinem Goldschmiedelehrgang fasziniert ihn Schmuck mindestens genauso.
Es zischt und brodelt gehörig, wenn Martin Leitner die 500 Grad heiße Küvette mit dem Spezialgips vorsichtig mit einer Zange in den bereitgestellten Kübel mit Wasser taucht. Mehrere Stunden lang befand sich die Form vorher im Ofen, um die eingebetteten filigranen Weinrauten-Fruchtstände ganz langsam auszubrennen. In dieser Zeit übertrug sich jedes winzige Detail des frischen, grünen Gewächses auf die Gipshülle, bevor die Pflanze im Inneren zu feinem Aschestaub verbrannte.
900 Grad heiß ist das Silber beim Ausgießen der Form
Jetzt gießt der 41-jährige Goldschmied ebenso vorsichtig 900 Grad heißes Silber in die Form. Das flüssige Metall bahnt sich mithilfe der Schwerkraft und einer unterstützenden Vakuumpumpe seinen Weg durch die nur einen Millimeter dicken Stängel-Kanäle im Inneren der Form bis hin zu den Hohlräumen der Weinrauten-Fruchtkapseln. Die zuvor im kleinen Ofen verbrannte Pflanze entsteht neu. Ganz in Silber. Verewigt als Schmuckstück, in allen Details.
Wissenschaftliches mit Kunst verbinden
Dr. Martin Leitner ist eigentlich studierter Physiker. Als Sonnenwind-Erforscher (an der Uni Graz und am Grazer Institut für Weltraumforschung) ist es für ihn selbstverständlich, ungewöhnliche Denkansätze zuzulassen, zu experimentieren, zu verwerfen, neu zu beginnen. Sein eigener Neubeginn als Schüler im Wiener Goldschmiede-Lehrgang und die Weiterentwicklung im Künstleratelier „Stoß im Himmel“ in Wien liegt nun bald zehn Jahre zurück. Als er eines Tages in seinem Kräutergarten in Judenburg auf ein hübsches, interessant riechendes Kräutlein stieß, war der Gedanke, daraus Schmuck zu kreieren, für ihn nicht allzu abwegig.
In der Natur gibt es wunderbare Formen, die mich oft zu neuen, kreativen Ideen führen.Martin Leitner
„Ich habe auch schon Schmuck aus Schneckenhäusern gemacht.“ Im Fall der hübschen Weinraute allerdings erschien es ihm das Beste, sie genau so zu belassen, wie sie ist.
Das Gewürz der Römer. Die Römer würzten mit der Weinraute ihre Speisen, man besserte mit ihr allzu kruden Wein auf (daher der Name) und bis heute wird die Weinraute zum Aromatisieren von Grappa verwendet. Im Spätmittelalter galt sie einer Legende nach als Schutz vor der Pest. Heute ist sie ein alter Klassiker in einem traditionell steirischen Kräutergarten.