Das kalte Quintett – was hinter den Eisheiligen im Mai steckt
Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie. Die Eisheiligen prägen bis heute das Leben von Bauern und Gärtnern. Was hinter den jahrhundertealten Regeln steckt und warum der Mai meist erst zehn Tage später kalt wird.
In einer alten Bauernregel heißt es: „Der Mai, zum Wonnemonat erkoren, hat den Reif noch hinter den Ohren.“ Wie wahr. Seit Jahrhunderten gelten die Tage vom 11. bis zum 15. Mai 2024 als eine Periode, in der der Winter noch einmal zurückschlägt – mit Temperaturstürzen, eisigen Winden und in der Folge auch Bodenfrost.
Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie heißen die Tage nach jenen Schutzheiligen, deren Namenstage in dieser Zeit begangen werden. Sie waren wundertätige Bischöfe und Märtyrer des frühen Christentums.
Mit den ihnen zugeschriebenen Wettereigenschaften hatten sie aber gar nichts zu tun, obwohl ihr religiöses Wirken im Vergleich zum nachgesagten meteorologischen später immer mehr in den Hintergrund trat.
Wer sind die 5 Eisheiligen?
Mamertus, 11. Mai
Er gilt nur in Norddeutschland als erster Eisheiliger, lebte im 5. Jahrhundert n. Chr. und war Erzbischof von Vienne. Mamertus führte die Bittprozession vor Himmelfahrt ein und soll durch Beten einem furchtbaren Feuer Einhalt geboten haben.
Pankratius, 12. Mai
Er war ein Märtyrer und der Legende nach der verwaiste Sohn eines reichen Römers. Pankratius half verfolgten Christen und wurde 304 n. Chr. im Alter von nur 14 Jahren von Kaiser Diokletian enthauptet und den Hunden zum Fraß vorgeworfen.
Servatius, 13. Mai
Er wurde im Mittelalter aus zwei Gestalten zu einer Figur vermischt: dem ersten Bischof von Tongeren (Belgien) und einem Servatius aus Gallien, Gegner des Arianismus, beide aus dem 4. Jahrhundert. Servatius soll mit einem Holzschuh erschlagen worden sein.
Bonifatius, 14. Mai
Er war in seiner Jugend kein Christ und lebte in Sünde mit einer reichen Römerin, ließ sich in Tarsus in Kilikien (heute Türkei) zum Christentum bekehren und taufen. Um 306 n. Chr. wurde Bonifatius durch siedendes Pech getötet.
Sophie, 15. Mai
Lebte in Rom und starb 304 n. Chr. unter Kaiser Diokletian den Märtyrertod. Ihre Attribute sind Palme, Buch, Trog und Schwert. Vermutlich ist Sophie ident mit Sophia von Minden, die in Ostwestfalen verehrt wird (Gedenktag: 3. September).
Die Regeln der Bauern
Dutzende Bauernregeln sind um sie herum entstanden. Mit allerlei Maßnahmen versuchten die Menschen, an den Eisheiligen-Tagen drohende Frostschäden zu verhindern. So entzündeten etwa Obst- und Weinbauern beim „Reifheizen“ feuchtes Laub und Holz, um mit dem dadurch entstehenden Rauch bereits blühende Nutzpflanzen vor dem Erfrieren zu schützen.
Wer sein Schaf schert vor Servaz, dem ist die Wolle lieber als das Schaf.Bauernregel
Bis heute gelten die Eisheiligen auch in anderen Bereichen als Stichtage. Almauftriebe finden häufig erst nach dem 15. Mai statt; Igelstationen raten, die stacheligen Schützlinge erst nach der Kalten Sophie in die Freiheit zu entlassen; Schafe sollen ebenfalls nicht vorher von ihrer Wolle befreit werden.
Die goldenen Gärtnerweisheiten
Und die Liste jener Pflanzen, bei denen man lieber auf Nummer sicher geht, ist für viele Gärtner – ob professionell oder nur des Hobbys wegen – immer noch in Stein gemeißelt: Vor allem Gurken, Tomaten, Bohnen und empfindliche Kräuter wie Basilikum dürfen demnach erst nach den Eisheiligen keimen oder ungeschützt ins Freiland übersiedeln.
Pankratius hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt vor Frost und Eis.Bauernregel
Wetterregeln
Aber ist das wirklich alles nötig? Der Frage, wie weit die Eisheiligen eine Kopfgeburt des Aberglaubens oder das Ergebnis akribischer Aufzeichnungen über lange Zeiten hinweg sind, widmet sich seit Jahrzehnten die moderne Wetterforschung.
Alexander Orlik ist Meteorologe und dafür zuständig, alljährlich im Frühjahr im Alpenraum den Verlauf der Eisheiligen zu prognostizieren; schließlich warten abertausende von Hobbygärtnern, Landwirten, Winzern oder Almbewirtschaftern auf zuverlässige Daten.
„Bauernregeln sind kein Blödsinn“, sagt Alexander Orlik zunächst ganz allgemein, „es sind volkstümliche Orientierungshilfen, die in Jahrhunderten von Beobachtung und Erfahrung entstanden sind.“ Und dann fügt er hinzu: „Was wir als Eisheilige kennen, ist eine meteorologische Singularität, die aufgrund bestimmter Konstellationen häufig entstehen kann, aber nicht muss.“
Pankrazi, Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi, und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie.Bauernregel
Wenn im Mai die Sonne schon hoch steht, erwärmen sich die Kontinentalmassen rascher als die Meeresoberfläche des Nordatlantiks. So entstehen durch den unterschiedlichen Luftdruck an den Grenzen der beiden Luftmassen im Bereich Russland, Skandinavien und Island Tiefdruckgebiete mit starken Windgeschwindigkeiten, die einander beeinflussen.
Zumal ein Hoch sich im, ein Tief sich aber gegen den Uhrzeigersinn dreht, wird kühle Luft in den mittel- und südeuropäischen Raum geschaufelt. Das erklärt auch, warum zum Beispiel in Norddeutschland am 11. Mai Mamertus als Eisheiliger gilt, in Bayern, in der Schweiz und in Österreich aber nicht. Dort wird wiederum – im Gegensatz zum Norden – der 15. Mai, Sophies großer Tag, zu den mystischen Kältebringern gezählt.
Des Rätsels Lösung: Die kalte Luft braucht einfach eine gewisse Zeit, um den Kontinent von Norden nach Süden zu durchströmen und kommt im Alpenraum etwas später an.
Papst Gregor nahm zehn Tage weg
Zahlreiche andere Faktoren sind dabei noch mitentscheidend. Zieht man diese in Erwägung, lässt sich der folkloristisch entstandene Termin 11. bis 15. Mai eigentlich nicht mehr halten.
Der Grund: 1582 verordnete Papst Gregor XIII. die gregorianische Kalenderreform, um Abweichungen des Sonnenjahres vom julianischen Kalender zu korrigieren. Er nahm dem Jahr 1582 einfach zehn Tage weg; die Wetterregeln zu den Eisheiligen, die damals schon kursierten, blieben aber unverändert.
So finden die Kälteeinbrüche häufig erst elf bis zwölf Tage später, also etwa vom 23. bis zum 27. Mai, statt.
Mikroklimatische Unterschiede
Doch was für die Niederbayern stimmen mag, muss für Ostösterreich noch lange nicht zutreffen. Oft sind nämlich schon mikroklimatische Unterschiede zwischen nahegelegenen Tälern und Ebenen ausschlaggebend dafür, ob das auftritt, wofür die Eisheiligen seit jeher gefürchtet werden: der Bodenfrost.
Kessellagen mit wenig Wind sind im Mai bei klarem Wetter noch am ehesten gefährdet. Das hat damit zu tun, dass die Luft vom Boden her auskühlt und Wind den Abkühlungsprozess durch raschen Austausch von Luftmassen behindert.
Balkonpflanzen haben es leichter
Zunehmende Wetterextreme stiften in jüngerer Zeit Verwirrung um die Zuverlässigkeit des Phänomens. Immer öfter kümmern sich die Tage der kältebringenden Märtyrer keinen Deut um ihren angestammten Platz im Kalender.
Die Temperaturstürze vollziehen sich vor oder nach der Monatsmitte. Treten sie früher auf, ist das auch mit der noch schwächeren Kraft der Sonne und den letzten Nachwehen der kalten Jahreszeiten zu erklären.
Wird es gegen Ende des Monats frostig, mögen – neben der gregorianischen Kalenderreform – auch Klimaveränderungen eine Rolle spielen. Die Temperaturkurven weisen um den 20. Mai im Schnitt deutlicher nach unten als um den 12. Mai.
Doch auch wenn die große Kälte tatsächlich noch einmal hereinbricht, hat so manche Pflanze nicht um ihre Existenz zu fürchten. Bodenfröste werden nämlich zumeist fünf Zentimeter über dem Boden gemessen. Das bedeutet, dass Balkonpflanzen im ersten Stock oder Obstblüten in höheren Baumregionen etwas weniger gefährdet sind als frisch keimendes Saatgut unten im Garten.
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