Gefährliche Wiesen-Schönheit: die Herbstzeitlose
Herbstzeitlose sind ebenso zauberhafte wie gefährliche Pflanzengeschöpfe, die dann ihren großen Auftritt genießen, wenn andere Wiesenblumen schon längst den Rückzug angetreten haben.
Von einem Tag auf den anderen sind sie da, die Herbstzeitlosen, und sprenkeln das Grün-Gelb der langsam vertrocknenden herbstlichen Wiesen mit ihren schmalen, rosa-lila Kelchblüten.
Mit ihnen kommen die stürmischen, böigen Oktoberwinde, die auch die Herbstzeitlosen erfassen und deren lange Blütenröhren neigen, sodass es aussieht, als wüchsen sie schräg aus dem Boden.
Da stehen sie dann, so weit die Wiese reicht, zu Hunderten in losen Gruppen und buchstäblich windschief, und über ihnen flattern und tanzen die bunten Drachen, die die Kinder in den leuchtend tiefblauen Himmel steigen lassen.
Blühende Kolonien
Bis in den November hinein haben die Herbstzeitlosen ihren großen Auftritt. Sie sind sehr zahlreich und sehr auffällig – nicht nur, weil sie ihre Hauptblütezeit haben, wenn die meisten anderen blühenden Pflanzen schon verschwunden sind. Kaum eine sonnige Wiese in offener, nicht alpiner Lage, auf der die Herbstzeitlosen nicht auftauchen.
Gut wasserdurchlässig, tief und fruchtbar muss der Boden sein, den sie gernhaben. Gefällt ihnen ein Standort, bilden sie bereits nach wenigen Jahren große Kolonien.
Die Herbstzeitlose und ihre Namen
Ihre jahreszeitliche Ausnahmestellung als Massenblüher und ein paar andere Besonderheiten haben ihr eine Vielzahl von regionalen Beinamen beschert. Einige davon beziehen sich auf den Umstand, dass Blätter und Blüten der Herbstzeitlose nie gleichzeitig zu sehen sind – die einen im Frühjahr, die anderen im Herbst. Den lila- bis rosa-fleischfarbenen Blüten, die ohne Blätter aufrecht am Ende langer, weißer Blütenröhren wachsen und tatsächlich wie unbekleidet wirken, verdankt sie einige recht derbe Bezeichnungen wie „nackerte Jungfer“ oder „Nackarsch“.
Andere Volksnamen beziehen sich auf ihre späte Blütezeit. Im bayerischen Schwaben zum Beispiel heißen sie auch „Nachtgunkeln“, in Oberösterreich „Herbstbleamln“. Der hoffnungsvolle Volksname „Lichtblum“ ist vor allem in den alemannischen Gebieten Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz verbreitet und mag daher rühren, dass von der Sonne angestrahlte Herbstzeitlosenblüten tatsächlich wunderschön durchscheinend zu leuchten beginnen.
Wieder andere Bezeichnungen wie das oberösterreichische „Kaibl“, das niederösterreichische „Kuheuter“ oder das schweizerische „Hundshoda“ beziehen sich auf die Form der Herbstzeitlosen-Samenstände, die mit Tieren oder Körperteilen von Tieren verglichen werden.
Kein Tier auf der Weide würde übrigens jemals eine Herbstzeitlose fressen. Denn sie ist eine gleichermaßen zauberhafte wie brandgefährliche Pflanze.
Alle ihre Teile – Knolle, Blätter und besonders die Blüten – sind hochgiftig, weil sie das extrem wirksame Zellgift Colchicin enthalten.
Kolchis, der antiken Landschaft zwischen Schwarzmeerküste und Kaukasus im heutigen Georgien, verdankt die Herbstzeitlose auch ihren botanischen Namen Colchicum autumnale.
Die sagenumwobene kolchische Königstochter und Giftmischerin Medea soll die Herbstzeitlose zur Zubereitung ihrer Zaubertränke verwendet haben. In Sagen und im Volksglauben taucht die Herbstzeitlose darum auch gerne in Zusammenhang mit Hexen und deren Treiben auf. Tatsächlich sind Giftmorde und Selbstmorde mit Herbstzeitlosen gut dokumentiert.
Wundermittel gegen Läuse und Pest
Umgekehrt greift auch die Volksmedizin bis heute – und von Unkundigen angewendet mitunter mit verheerenden Vergiftungsfolgen – auf die Herbstzeitlose als Mittel gegen Gicht, Rheumatismus oder Harnleiden zurück. Natürlich machen sich Schulmedizin und Homöopathie diese Wirkung ebenfalls zunutze.
Weniger riskant ist die äußere Anwendung als volkstümliches Mittel zum Vertreiben von Kopfläusen – eine Nutzung, die sich auch im Beinamen „Läuseblume“ widerspiegelt. Dazu wurden die Blüten von Herbstzeitlosen auf dem Kopf zerrieben, die Haare mit einem Sud aus Zwiebeln und Blüten gewaschen oder – wie etwa in Oberösterreich – eine „Lausschmier“ aus den Zwiebeln gebraten.
Völlig unbedenklich ist hingegen eine andere Rolle, die der Volksglaube der Herbstzeitlose in vielen Gegenden zugedacht hat, nämlich als sogenanntes „Sympathiemittel“. Im bayerischen Schwaben galten umgehängte oder in der Hosentasche getragene Herbstzeitlosenzwiebeln – die als „Theklazwiebeln“ bekannt waren, weil sie am Theklatag, dem 23. September, ausgegraben werden mussten – als Abwehrmittel gegen Kopfschmerzen, in der Oberpfalz sollten sie den Träger gegen ansteckende Krankheiten und sogar gegen die Pest schützen; ein uralter Brauch, der schon seit den großen Pestepidemien des späten 17. Jahrhunderts dokumentiert ist.
Gut zu wissen
Herbstzeitlosen für den Garten gibt es nicht nur in Rosa-Lila, sondern auch in weiß und in der einen oder anderen Sorte mit gefüllten Blüten in einem rosa-lila Ton (C. autumnale ‚Pleniflorum‘).
Herbstkrokus ist einer der vielen Volksnamen der Herbstzeitlose. Natürlich hat er damit zu tun, dass Krokus und Herbstzeitlose sich auf den ersten Blick sehr ähnlich sehen und es tatsächlich auch einige herbstblühende Krokusarten gibt, obwohl Krokusse gemeinhin als typische Frühjahrsblüher gelten. Allerdings gehören Krokusse, die in der Regel etwas kleiner sind und ein größeres Farbspektrum aufweisen, zur Pflanzenfamilie der Schwertliliengewächse (Iridaceae). Herbstzeitlosen hingegen sind Zeitlosengewächse (Colchicaceae) und haben sechs Staubblätter, während Krokusse – zu denen auch der Safran (Crocus sativus) zählt – nur drei besitzen.
Fatale Verwechslungsgefahr. Leider werden die hochgiftigen Blätter der Herbstzeitlose, die im Frühjahr herauskommen, von Sammlern immer wieder mit den Blättern des essbaren und sehr beliebten Bärlauchs verwechselt. Da kann man wirklich nicht vorsichtig genug sein, die Unterscheidung ist für botanische Laien nicht einfach. Im Zweifelsfall besser alle gesammelten Blätter wegwerfen!
Herbstzeitlose (colchicum autumnale)
Familie: Zeitlosengewächse (Colchicaceae).
Standort: Auf Wiesen in offener, sonniger oder halbschattiger Lage mit nährstoffreichen, tiefen und gut wasserdurchlässigen Böden.
Pflanzung: Spätsommer und Frühherbst sind die richtige Zeit, Herbstzeitlosen zu setzen. Ihre mittelgroßen Knollen legt man etwa zehn Zentimeter tief in die Erde. Bei guter Standortwahl neigen Herbstzeitlosen rasch zum Verwildern und bilden bald größere Gruppen.
Pflege: Bei guter Standortwahl bedürfen Herbstzeitlosen keiner weiteren Pflege.
Besonderheiten: Blätter und Blüten der Herbstzeitlose sind nie gleichzeitig zu sehen. Ihre aufrechten, lanzettförmigen Blätter werden bis zu 35 Zentimeter hoch und erscheinen vom Frühjahr bis in die Sommermitte, ihre Blüte hingegen ist von September bis November, wobei der Oktober die Hauptblütezeit ist.
Achtung: Alle Teile der Pflanze sind hochgiftig!
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