Pflanzenporträt Chicorée
Chicorée braucht absolute Dunkelheit. Nur so bildet er die bleichen Schöpfe mit ihrem feinen Bitteraroma. Und zu verdanken haben wir diesen gesunden Genuss einem Zufall.
Das, was wir heute als Chicorée kennen, entstand zufällig als Nebenprodukt eines Gemüseanbaus, der ein ganz anderes Ernteziel hatte: erstaunlicherweise Kaffee. Natürlich ging’s nicht um echten Bohnenkaffee, wir befinden uns ja auf mitteleuropäischem Boden. Vielmehr um einen Kaffeeersatz, gewonnen aus den Wurzeln der Gemeinen Wegwarte oder Zichorie (Cichorium intybus), die auch die Mutterpflanze des Chicorées (Cichorium intybus var. foliosum), ausgesprochen wie Schikoreh, ist.
Seit dem 17. Jahrhundert wurden die langen Pfahlwurzeln der Wegwarte, dieser uralten Heilpflanze, im Herbst ausgegraben, getrocknet, geröstet, wie Kaffeebohnen gemahlen und mit kochendem Wasser zu einem kaffeeartigen Heißgetränk aufgegossen. Man gab diesem fantasievolle Namen wie „Muckefuck“ oder „Blümchenkaffee“.
Der Salat, der einst Kaffee wurde
In der Wiener Gegend hörte der koffeinfreie Ersatzkaffee auf den durchaus spöttisch gemeinten Namen „Ziguriwasser“, also Zichorienwasser – ein Ausdruck, der mitunter bedeutungsgleich mit „Gschlader“ verwendet wurde, einem weiteren altwienerischen Ausdruck für einen dünnen Kaffee.
Jedenfalls wollte man eigentlich Kaffee herstellen und entdeckte dabei den Chicoréesalat. Und schon wurde aus der Wurzel- und Kaffeezichorie die Salatzichorie.
Die Schöpfungslegende zu diesem Bleichsalat geht so: Belgische Bauern sollen es gewesen sein, die um 1830 erstmals feststellten, dass ihre im Herbst ausgegrabenen und zum Kaffeerösten im dunklen Keller gelagerten Zichorienwurzeln im Winter Blattsprossen ausbildeten, die sehr gut schmeckten.
Die Sprossen wurden von dicht gedrängten, bleichen, weißlich-gelbgrünen, zarten Blättern gebildet, die aus den Achselknospen und der Endknospe der geernteten Wurzeln wuchsen. Fortan kultivierten Bauern die Bleichsprossen und boten sie auf flämischen Märkten als „witloof“, weißes Laub, an. Das Wachsen in Dunkelheit hatte ihnen die aggressive Bitterkeit genommen, ihnen aber ein angenehm zartbitteres Aroma als besondere Note gelassen.
Kleine Schiffchen mit knackigem Biss
Als fein bitterer Salat und Blattgemüse setzte sich Chicorée bald in dem Maße durch, in dem die Zichorienwurzeln als Kaffeeersatz an Bedeutung verloren.
Was den Chicorée so bekömmlich machte, war ausgerechnet das Bleichen. Bis heute wachsen die Zichorienwurzeln im Freiland, werden dann im Herbst ausgegraben und im Dunkeln „angetrieben“. Das tun sie ausgerechnet von November bis März, wenn großer Bedarf an frischem Gemüse herrscht. Die Wurzeln sind dabei entscheidend – je kräftiger sie sind, desto fester und größer sind auch die fest geschlossenen Chicorée-Blattschöpfe.
Roh mariniert ergibt Chicorée einen knackig-frischen Salat, in Öl gebraten eine herrliche, mangoldähnliche Gemüsebeilage. Man kann einzelne Blätter, die wie kleine Schiffchen aussehen, auch füllen und überbacken. Und in Milch gekocht, nimmt man dem Chicorée noch mehr von seiner leichten Bitternote.
Chicorée(Cichorium intybus var. foliosum)
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Anbau und Ernte: Chicorée wird im Frühjahr ausgesät, die Wurzeln werden im Oktober geerntet. Dafür rodet man die Pflanzen im Ganzen mit einer Grabgabel und lässt sie ein paar Tage auf dem Beet liegen. Danach kappt man die Blätter auf 2 bis 3 cm und lagert die Wurzeln, indem man sie mit Erde bedeckt. Nach Bedarf holt man ein paar Wurzeln heraus, setzt sie eng zusammen in einen Kübel mit Erde und stülpt einen zweiten Kübel darüber, sodass absolute Dunkelheit herrscht. Dann an einen stockfinsteren Ort (z. B. Keller) stellen, an dem es ca. 15 bis 16 °C hat. Nach 3 bis 5 Wochen ist der Chicorée erntereif. Achtung: Bei manchen Sorten muss man zum Austreiben die Wurzeln zur Gänze mit Erde abdecken, bei anderen genügt der übergestülpte Kübel.
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