Weberei Kitzmüller, Webstuhl, Handwerk
Foto: Petra Benovsky

Die Weber von Guglwald: Besuch in der Weberei Kitzmüller

Auf den Spuren einer schönen oberösterreichischen Tradition: Erich und Annelise Kitzmüller erzeugen in ihrem Betrieb noch Bettwäsche, Trachtenstoffe, Fleckerlteppiche und viele Textilien, die an die gute alte Zeit erinnern.

Text: Harald Nachförg, Fotos: Petra Benovsky

Sind wir da wirklich richtig? Wir haben ja schon fast die tschechische Grenze erreicht. Aber ein Blick auf die Karte beruhigt. Stimmt schon. Und so kurven wir, die Fotografin und der Schreiber, weiter durch die pittoresk schöne Landschaft des Oberen Mühlvier­tels. Einer Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und in die, wegen des hohen Erholungswerts, ab und zu mo­derne Wellnesshotels gesetzt werden. Man­che sehen aus wie kleine Schlösser. Wer an ihnen vorbeifährt, wähnt sich schnell in einem Märchen. Auch die Adresse, die wir suchen, klingt danach: Guglwald 27

Hier, in dem rund 100 Einwohner zäh­lenden Örtchen, befindet sich die Weberei Kitzmüller. Ein kleiner Familienbetrieb, der feinste Textilien herstellt – wenn gewünscht auch nach individuellen Vorstellungen. Der wohlige Geruch von Lavendel kitzelt uns ein wenig in der Nase. Wir stehen, kaum dass wir eingetreten sind, mitten im Verkaufsraum und schnuppern nun an dem aromatischen Polster. Er ist uns erst gar nicht so sehr wegen seines Dufts, son­dern wegen seines zart hellblau gestreiften Überzugs aufgefallen. 

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Wir mussten ihn angreifen. Überhaupt: Am liebsten würde man alle die bunten Stoffe berühren, die in den unterschied­lichsten Farbkombinationen leuchten und appetitlich wirken wie Seidenzuckerln. Nicht nur die Bettwäsche übrigens. Auch die Dirndlstoffe, das vielleicht zweitwich­tigste Produkt aus dem Hause Kitzmüller, bestechen durch einzigartige Variationen. 

100 Einwohner und ein lebendiges Relikt aus einer Zeit, als das Mühlviertel noch das Land der Textilhandwerker war.
Servus Mondpost

„Wir produzieren mehr als 200 buntge­webte Stoffmuster. Größtenteils nach über­ lieferten Vorlagen“, sagt Erich Kitzmüller stolz. Während seine Frau Anneliese, die im Betrieb tatkräftig mitarbeitet, im Verkaufs­raum geblieben ist, hat er uns in den ersten Stock geführt. Dort, im Büro, zeigt er uns seinen Schatz. Ein vergilbtes Buch, in dem kleine Stofffetzerln kleben und mit blasser Tinte Details zu Farben und Formen penibel aufgeschrieben sind. Es stammt noch von seinem Großvater, dem Firmengründer. 

Flachs von eigenen Feld

Dieser Andreas Kitzmüller begann das Ge­schäft 1928 als Hand­ und Verlagsweberei. Weil er auch eine kleine Landwirtschaft be­trieb und wie jeder Bauer damals im Mühl­viertel Flachs anbaute, hatte er den Roh­stoff zur Leinenverarbeitung quasi vor der Tür. Die Geschäfte gingen gut. Völlig klar, dass sein Sohn Walter 1966 die Firma über­nahm. „Mir, der dritten Generation, wollte er nicht mehr zu diesem Schritt raten“, sagt Erich Kitzmüller. 

Kein Wunder, die Situation hatte sich drastisch verändert. Die arbeitsintensive Herstellung der Produkte in Verbindung mit hohen Lohnkosten und Billigimporten aus Fernost hatte viele Betriebe in der Regi­on zum Aufgeben gezwungen. Gab es in der Nachkriegszeit noch mehr als 80 Webereien im Mühlviertel, sind es heute nur noch eine Handvoll. 

Erich und Anneliese Kitzmüller orientieren sich gerne an den alten Mustern ihrer Vorfahren.

Dass Erich Kitzmüller, der die Firma nun auch schon wieder seit 1989 leitet, darunter ist, verdankt er einerseits seinem breiten Angebot – neben Bettwäsche in Karo und Streif sowie Trachtenstoffen werden auch Tisch­ und Küchenwäsche, Geschirr­ und Handtücher sowie Woll­- und Fleckerlteppi­che teilweise sogar noch mit der Hand her­gestellt –, andererseits hat er Tradition mit heutiger Textilästhetik klug verknüpft. Und weil man auch individuelle Wünsche erfül­len und in geringen Mengen produzieren kann, hat sich die kleine Weberei einen gro­ßen Namen gemacht. Selbst Kunden aus Deutschland, der Schweiz oder Südtirol wissen mittlerweile, wo Guglwald liegt. 

Laut ratternd und wie besessen schlu­cken die Webmaschinen ein wirres Faden­dickicht, das sie als meterlange Stoffe wie­ der ausspucken. „Insgesamt verarbeiten wir etwa 40 Tonnen Garne jährlich“, erklärt Erich Kitzmüller. „90 Prozent davon sind aus Baumwolle, 10 Prozent aus Leinen.“ Zweifach oder mehrfach zu Zwirn gedreht und verarbeitet, sorgen die reinen Natur­ fasern für höchste Qualität. 

Auf den Kettbaum gebäumt

Doch der Reihe nach. Zuerst schauen wir in die sogenannte Schärerei, wo die Herstel­lung aller Waren beginnt. Hier werden erst einmal die Garne, die sich auf Spulen befin­den, auf das Schärgatter aufgesteckt. Grob vereinfacht gesagt, laufen dann die Fäden – das können pro Gewebebreite bis zu 5.000 Stück sein – zur Schärmaschine, in der sie durch das Geleseblatt dem Muster entspre­chend sortiert werden. Das Schärblatt wiederum sorgt dafür, dass die richtige Faden­dichte zustande kommt. 

Wenn schließlich die gewünschte Länge und Fadenzahl erreicht sind, wird die Kette, das sind die Längsfäden vom Gewebe, auf eine überdimensionale Zwirnspule gewi­ckelt. „Man sagt: auf den Kettbaum ge­bäumt“, erklärt uns Erich Kitzmüller. 

Danach wird der Kettbaum in die Web­maschine gespannt. Je nachdem, wie man die Fäden miteinander verkreuzt, entsteht dann etwa Bettwäsche im traditionellen Bauernkaro oder mit lustigen Sprüchen verzierte Handtücher. 

Handwerk, Weberei Kitzmüller, Stoffrollen, Gugglwald
Foto: Petra Benovsky
Bunte Stoffrollen machen einen Besuch in der Weber Kitzmüller zu einem bunten Spektakel.

„Zum weiteren Veredeln geben wir aber vieles außer Haus. Zum Bedrucken etwa oder zum Sanforisieren – ein Verfahren, das verhindert, dass der Stoff nach dem Wa­schen eingeht“, sagt Kitzmüller. Denn alles könne der Familienbetrieb, der zehn Mit­arbeiterinnen Arbeit gibt, nicht bewerkstel­ligen. Das wäre zu kostspielig. Und so näht und säumt man auch nur die Bett­ und Tischwäsche in der Weberei. 

Welche Farben denn derzeit besonders gefragt sind, wollen wir, wieder zurück im Verkaufsraum, wissen. „Das hängt sehr stark von der Region ab“, schmunzelt die Annelie­ se. „Im Großen und Ganzen hält man in Ös­terreich jedenfalls Rot und Grün die Treue, während die Nordbayern gern zu Blau oder Violett greifen.“ So wie auch jetzt die Dame aus Franken, die für ihr Landhäuschen was Besonderes sucht und es bei den Kitzmüllers sicherlich auch finden wird. 

Weberei Kitzmüller:
Guglwald 27,
4192 Schönegg
Tel: 07219/60750
www.kitzmueller.at

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