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Foto: mauritius images / Garden World Images / Sine Chesterman

Weißkraut ist viel mehr als nur ein Arme-Leut-Essen

Eine kleine Liebeserklärung an jenes vitaminreiche Wintergemüse, das seit Jahrhunderten unsere bäuerliche Küche prägt und jetzt grad eine kulinarische Renaissance feiert.

Was ein echtes Unkraut ist, ist meist zu nichts Nutze, und auf keinen Fall lässt sich damit der Magen füllen. Ganz im Gegensatz zum Kraut, das so überaus nützlich, nahrhaft, ergiebig und vitaminreich ist, dass es in der Alltagssprache schon vor langer Zeit den Sprung zum heldenhaften Gegenspieler jeder Art von Unkraut schaffte. Das sagt einiges aus über seine Bedeutung auf den Speisezetteln der Vergangenheit. 

Nur wovon genau ist die Rede, wenn man von Kraut spricht? Gemeint ist damit Brassica oleracea convar. capitata var. alba, auf Deutsch Weißkraut, Weißkohl oder eben einfach nur Kraut. Da denkt man gleich an mehr als Kindskopfgroße, schwere Häuptel und liegt damit goldrichtig. Weißkrautköpfe sind in der Regel um einiges größer als die ihres engsten Verwandten, des Rotkrauts. 

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Eine kurze Geschichte des Krauts

Brokkoli, Karfiol, Kohlsprossen, Kohlrabi, Wirsing, Chinakohl, Grünkohl, Palmkohl und Speiserübe gehören ebenfalls zur Familie Brassica-Kohl, die gleichermaßen groß wie bedeutend ist.

Servus Mondpost

Der Wildkohl, aus dem spätestens im frühen Mittelalter das Weißkraut in der uns bekannten Form entstanden ist, war schon in der Antike als Gemüsepflanze so präsent, dass er zum Anlass für einen Disput zwischen den griechischen Philosophen Diogenes und Aristippos von Kyrene werden konnte. Heiß diskutierten sie, ob es besser sei, sich zum Dienst an einem Tyrannenhof zu erniedrigen oder sich mit dem Waschen von Kraut abzugeben. 

Das gibt schon einen kleinen Hinweis auf ein Imageproblem, mit dem das Kraut zu kämpfen hat: Es gilt als Arme-Leute-Essen, sein intensiver Geruch ist ebenso wenig vornehm wie die blähende Wirkung.

  • Dagegen wird gearbeitet, darum gibt es seit längerem eine Bewegung, die auch die Wunder des Weißkrauts preist: Es ist kalorienarm, so gut wie fettfrei, gesund und reich an einer Art von Vitamin C, die sich überhaupt erst beim Kochen herausbildet (und nicht wie bei den meisten Gemüsen durchs Kochen zerstört wird).

  • So kam’s auch, dass früher auf langen Schiffsreisen Fässer mit Sauerkraut mitgenommen wurden. Es war der sicherste Schutz gegen Vitaminmangelerkrankungen. 

Mit Salz zu Sauerkraut vergorenes, klein geschnittenes und gestampftes Weißkraut war eines der wichtigsten Wintergemüse auf dem bäuerlichen Speiseplan. Ohne Salz und in ganzen Köpfen wurde in manchen Regionen wie im oberösterreichischen Mühlviertel, den angrenzenden Gegenden Bayerns, in den Fischbacher Alpen in der Steiermark und im steirisch-niederösterreichischen Wechselgebiet das sogenannte Grubenkraut konserviert: Dafür blanchierte man die frisch geernteten, ganzen Krautköpfe ein paar Minuten in kochendem Wasser. Dann ließ man sie abtropfen und schichtete sie in eine einige Meter tiefe Krautgrube, wo sie drei, vier Monate Zeit zum Reifen hatten. 

Volksmund und Volksmedizin

Was das Kraut beim Kochen sprichwörtlich und tatsächlich fett macht, ist Schmalz oder Speck. Ein lauwarmer Krautsalat gewinnt durch angebratene Speckwürfel erst so richtig an Aroma. Auch Sauerkraut zu Knödeln oder Braten verstärkt seinen Geschmack durch die Zugabe von in Butterschmalz angebratenen Zwiebeln. Eine solche Auffettung im Kochtopf ist in jedem Fall besser, als wenn „Kraut und Rüben“ durcheinanderliegen, denn dann muss man sich ans Zusammenräumen machen. 

Stolpert man beim Aufräumen, kann man erneut mit Kraut – um genau zu sein, mit Krautblättern – Abhilfe schaffen.

  • Die Volksmedizin nämlich empfiehlt Krautwickel bei allen Arten von Schwellungen und Prellungen, bei Gicht und Rheuma.

  • Und dass eine Krautsuppenkur reinigend auf den Stoffwechsel und gut auf die Verdauung wirkt, ist gemeinhin bekannt. 

Eines der wesentlichsten Anbaugebiete war übrigens einst das Tullnerfeld in Niederösterreich. Um 1900 galt das Tullnerkraut oder Donaukraut „als die hauptsächlichste österreichische Sorte“. 1838 hieß es darüber: „Das Donaukraut ist bekannt, und ganz Wien verzehrt und braucht eine ungeheuere Quantität.“ 

Auch wenn die Anbauflächen in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sind: In den Haus- und Bauerngärten feiern die großen Köpfe gerade eine kleine Renaissance.

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