Hausbesuch im steirischen Semriach
Dass heute in der sanften Landschaft rund um Semriach, dort, wo das Schöcklland ins Almenland übergeht, ein schmuckes, 320 Jahre altes Bauernhaus steht, ist nicht selbstverständlich. Es ist dem Mut und der Beharrlichkeit zu verdanken, die Herta und Stefan Eisenberger auszeichnen. Und wohl auch ein wenig deren Unbedarftheit in dieser Angelegenheit.
Die beiden hatten sich nämlich eines Tages in den Kopf gesetzt, den verfallenen Saustall auf ihrem Zehenthof zu schleifen und an seiner Stelle ein Bauernhaus zu errichten. Allerdings ein altes. Eines, das sie woanders abtragen und hier wieder zusammensetzen wollten.
So ein Wunsch mag eigenartig erscheinen, aber die Eisenbergers hatten einen guten Grund dafür „Wir bewirtschaften unseren Hof in der sechsten Generation. Bei uns wurde immer auf Tradition geachtet. Etwas Neues aufzustellen kam also nie infrage“, erklärt Stefan.
Begeisterung und weiche Knie
Im September 2009 war es schließlich so weit. „Haus zum Abtragen aus 1695 zu verkaufen“, stand knapp in einer Annonce der „BauernZeitung“. „Und so sind wir noch am selben Abend die 30 Kilometer nach Sankt Kathrein am Offenegg gefahren und haben es uns angesehen“, erinnert sich Stefan.
Während er sofort Feuer und Flamme für das Anwesen war, befiel seine Herta aber ein ungutes Gefühl. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das funktioniert. Ganz weiche Knie hab ich plötzlich bei dem Gedanken bekommen.“ Schließlich war das Gebäude schon seit Jahrzehnten unbewohnt und die Nordseite unter der Last der Jahrhunderte weggebrochen.
Stefan störte das nicht. Er war vom Gelingen der Übersiedelung und des Neuaufbaus überzeugt. Nach seinen Berechnungen und einer Lagebesprechung mit der Familie und Freunden stand für ihn fest: „Wenn wir alle zusammenhelfen, schaffen wir das.“
„Wenn dir wos vermoant is, dann wird’s a funktionieren!“
Also ging man frohgemut ans Werk, riss den alten Saustall in Semriach ab und betonierte erst einmal ein Fundament für das neue alte Haus.
Nächster Schritt: Die Abtragungsarbeiten in Sankt Kathrein am Offenegg. Dazu musste vorher jeder einzelne Balken nummeriert werden, damit man das dreidimensionale Puzzle auch leicht wieder zusammensetzten konnte. Dann ging alles recht flott. „An einem Donnerstag wurde das Dach entfernt, am Freitag haben wir mit Freunden und Verwandten jeden einzelnen Balken abgetragen und am Samstag lag bei uns daheim schon ein Berg von Brettern, Balken, Tramen und altem Gerümpel, das wir wieder benutzbar machen wollten“, erzählt Stefan.
„Da waren natürlich schon Momente, in denen wir dachten, dass wir verrückt sein müssen, uns das anzutun“, gibt Stefan heute zu und lacht. Aber die Eisenbergers haben nun einmal einen Grundsatz: „Wenn dir wos vermoant is, dann wird’s a funktionieren!“
Und dieses Haus war ihnen „vermoant“, also bestimmt. Also haben sie die Ärmel aufgekrempelt und jeden Balken wieder auf den anderen gesetzt. „Gebts mir ‚Gelb 3 Punkt‘ rauf“, rief der Zimmermann zum Beispiel von oben. Die Befehle hörten sich mitunter wie eine Geheimsprache an. Aber gut, dass die Teile exakt bezeichnet waren. Der Aufbau lief so wie am Schnürchen.
Von Moos gesäubert, von Russ befreit
Manches andere brauchte mehr Geduld. Die Reinigungsarbeiten etwa. So säuberten Herta, 32, und Stefan, 36, sämtliche Bretter und Balken vom Moos, das einst das Haus gedämmt hatte, und befreiten das Holz der Rauchkuchl vom Ruß.
Weil das junge Paar mit viel Liebe zum Detail restaurierte, ließ es sogar jeden fehlenden Holznagel nachmachen – und achtete auch darauf, dass, wenn möglich, nur altes Holz verwendet wurde. Der verfallene Saustall leistete da letzte Dienste.
„Grundsätzlich haben die Jahrhunderte der Substanz des alten Bauernhauses aber nicht allzu viel anhaben können. Damals wurde das Holz noch von Hand und nach dem Mond geschlägert, das hat sich auf die Qualität ausgewirkt“, erklärt Stefan.
Er ist froh, dass sie es gewagt haben, das Bauernhaus zu verpflanzen. Auch wenn’s zusätzliche Arbeit war. Schließlich müssen auch noch 50 Kühe samt Kälbern, weiters Hühner, Schweine, Enten und Hasen versorgt werden. Herta kümmert sich gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Renate um Urlaubsgäste, und Stefan ist nicht nur Landwirt, sondern auch Vertriebschef in einem Futtermittelbetrieb. „Ja, wir waren Tag und Nacht auf Trab, aber es war schön zu sehen, wie aus dem Holzhaufen wieder ein Haus wurde“, sagt Herta und lacht, weil ihr einfällt, dass am Schluss ein einziger Holzbalken übrig blieb. „Er hätte in der Decke in der Stube hingehört, den haben wir einfach übersehen. Jetzt sind die Deckentram’ halt ein wenig lockerer geschichtet.“
Das Anwesen ist trotzdem ein Schmuckstück. Die Holzböden wurden abgeschliffen. Der Steinboden, der im Eingang verlegt wurde und aus alten Dachziegeln besteht, ist ein Blickfang. Und auch sämtliche Möbel, die Herta und ihr Mann mit dem Haus mitgekauft hatten, wurden restauriert. „Wir haben das alte Holzbankerl, das heute vor dem Haus steht, ebenso wieder auf Vordermann gebracht wie die Bänke in der Stube und alles andere. Wo es ging, haben wir nichts Neues verwendet“, sagt Stefan.
Unvorhersehbar wie das Leben
Wenn sie gefragt werden, wie sie das alles planen konnten, antwortet Herta: „Wir haben nichts geplant – alles ist so geworden. Das Haus ist wie das Leben selbst, nichts ist vorhersehbar gewesen.“ Außer vielleicht die Freude aller, dass das Projekt ein glückliches Ende nahm.
Hand angelegt haben ja viele. Nicht nur die beiden Väter Oswald und Franz, die Tag und Nacht bereitstanden. Auch Nachbar Franz, ein pensionierter Schmied, half mit. Er schmiedete sämtliche Vorhangstangen und fertigte die Lampen in der Stube. Gottfried und Reinhard wiederum, ebenfalls Nachbarn, stellten ihr tischlerisches Können zur Verfügung. Und als sich Stefan partout ein Lehm-Kalk-Gemisch an den Wänden einbildete, war Gerald zur Stelle. Eine spezielle Technik beim Auftragen der Farbe gibt den Innenwänden heute wieder den alten buckligen Charakter.
Schätze vom Dachboden
Was das Mobiliar anlangt, so kam zu jedem schönen Stück ein weiteres dazu. Auf diversen Dachböden fanden sich Kästen oder Originalbeschläge für die Türen. Die beiden Tische in der Stube hat Stefan vor der Motorsäge eines Arbeitskollegen gerettet. Der Kachelofen wurde von seinem Freund Reinhard neu gesetzt, Hertas Mutter steuerte einen kleinen Puppenwagen bei.
All diese Dinge geben einem das Gefühl, dass dieses Haus hier immer schon gestanden ist. „Wir haben halt unsere ganze Liebe in dieses Projekt gesteckt“, sagt Stefan.
Apropos Liebe: Er und seine Herta erwarten dieser Tage sehnsüchtig die Geburt ihres ersten Kindes. Bub oder Mäderl? „Wir wissen’s nicht – aber wenn dir wos vermoant is ...“
Servus-Empfehlung: Das schöne alte Bauernhaus wird auch an Gäste vermietet. www.zehenthof.at.
Diese Hausbesuch erschien erstmals in Servus in Stadt & Land Juli 2013.
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