April, April: Warum gibt es am 1. April Scherze
Ein pädagogisches Lehrstück? Eine Kalenderreform oder gar ein kultisches Frühlingsfest? Worin die lustige und ziemlich alte Tradition wurzelt, jemanden am 1. April zum Narren zu halten, darüber streiten Volkskundler. Eine kleine Kulturgeschichte.
Bedienstete wurden von ihrer Herrschaft nach Mückenfett, Hahneneiern oder Gänsemilch zum Greißler geschickt, Lehrlinge vom Meister für Ibidum in die Apotheke gesandt, Bürgersleute mit der Ankündigung der „Fütterung eines Wolpertingers“ auf den Marktplatz gelockt. Aber auch Könige waren am 1. April nicht sicher: So wurde der notorische Schürzenjäger Heinrich IV. von Frankreich zu einem vermeintlichen Tête-à-Tête mit einer hübschen jungen Dame geladen, nur um am vereinbarten Treffpunkt – April, April! – auf einen spöttelnden Hofstaat zu treffen. Selbst historisch verbürgte Anekdoten über Aprilscherze lesen sich mitunter, als wären sie selbst an einem 1. April in die Welt gesetzt worden …
Woher kommt das „In-den-April-Schicken“?
In der Tat ist es nicht leicht, Dichtung von Wahrheit zu trennen, wenn es um den alten Brauch des In-den-April-Schickens geht. Zumal seine Wurzeln bis heute ungeklärt sind. „Die Ursprünge kultureller Muster sind selten genau herauszubekommen“, weiß Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder. So kursiert eine schier unüberschaubare Zahl unterschiedlicher Erklärungsversuche, die noch dazu regional variieren. „Und bei einigen Entstehungslegenden darf man getrost davon ausgehen, dass sie selbst ins Reich der Aprilscherze gehören“, meint der Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser.
Wie etwa jene wenig schlüssige Theorie, die einen Bezug zum närrisch-unberechenbaren Aprilwetter konstruiert. Schließlich ist der Aprilscherz auch in Regionen dieser Welt verbreitet, in denen die Witterung sehr stabil ist.
Und auch die angeblichen Wurzeln des Aprilscherzes im Herumschicken Jesu von „Pontius zu Pilatus“ am Tag seiner Verurteilung ist eher auszuschließen. Nicht nur, weil der 1. April mit Ostern, also dem Tag der Auferstehung, zusammenfallen kann. Sondern auch, weil ja Einfältige Zielscheibe des Aprilscherzes sind, „und die mit Jesus Christus gleichzusetzen hinkt schon sehr“, sagt Brauchtumsforscher und Theologie- Professor Manfred Becker-Huberti.
Weit verbreitet ist die Herleitung des Aprilscherzes von einer Kalenderreform durch den französischen König Karl IX. im Jahr 1563. Auf einer seiner Reisen durch das Land hatte der Herrscher festgestellt, dass der Jahresbeginn je nach Diözese unterschiedlich festgelegt war. Da die abweichenden Regelungen für Verwirrung sorgten, ließ Karl im ganzen Königreich den 1. Jänner zum Neujahrstag erklären. Daraufhin sollen humorige Mitmenschen zum Apriltag Einladungen zu Neujahrsfestivitäten verschickt haben, die es gar nicht mehr gab. Wer dennoch kam, hatte zum Schaden der Anreise auch noch den Spott. Von Frankreich aus sollen sich dann derartige Aprilscherze mit Soldaten über ganz Europa verbreitet haben, wo sie umgeformt und ausgeweitet wurden. Eine nette Theorie, unterfüttert mit historisch belegbaren Ereignissen.
„Ich halte sie dennoch nicht für schlüssig“, betont Manfred Becker- Huberti. „In keiner Gegend Frankreichs war der Neujahrstag vor der Kalenderreform der 1. April, sofern nicht Ostern auf dieses Datum fiel.“
Apropos Ostern: Möglich ist, dass der Aprilscherz auch in einer alten, längst vergessenen Tradition wurzelt – dem Osterlachen. Zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert war es Brauch, dass Pfarrer ihre Schäfchen während der Osterpredigt mit Witzen zum Lachen brachten. Passend zum Anlass, der Freudenfeier der Auferstehung, und als Ausdruck von Gottes Gelächter über den Tod. Von den Kirchenschiffen aus könnte sich das Scherzen dann in den privaten Bereich verbreitet haben.
Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser hält unter den zahlreichen Erklärungsversuchen jedoch folgenden für am überzeugendsten: „Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 wollte Kaiser Karl V. neben dem Religionsstreit auch das Münzwesen regeln. Der Reichstag fand jedoch nicht die nötige Zeit, sodass für den 1. April ein besonderer Münztag ausgeschrieben wurde, der Ziel großer Gewinnpläne wurde.“ Doch der 1. April verstrich ohne Münztag. Die Spekulanten verloren ihr Geld und wurden ausgelacht. Sie waren „in den April geschickt“ worden.
Zeitnah lässt sich im bayerischen Raum dann auch erstmals das Auftauchen der Redewendung „in den April schicken“ belegen, was für Dietz-Rüdiger Moser die Theorie stützt.
Laut Manfred Becker-Huberti reichen die Wurzeln der lustigen Tradition aber noch viel weiter zurück: „Schon im Volksglauben der Antike gab es eine Vielzahl angeblicher Unglückstage – darunter auch der 1. April. Die frühen Christen verknüpften das Datum dann mit dem Einzug Luzifers in die Hölle. Außerdem glaubten sie, dass der Teufel am 1. April besonders viele Seelen fange. Da seine Anhänger als durch Narretei gekennzeichnet galten, konnte man sich vor seinen Avancen schützen, indem man sich an diesem Tag bewusst zum Narren machte oder machen ließ. Denn warum sollte der Teufel sich um jemanden bemühen, über den er bereits Macht besaß?“
Möglicherweise fließt im Aprilscherz das traditionelle Unglücksdatum aber auch „mit indogermanischen Frühlingsbräuchen zusammen, die jenen der Fastnacht ähnelten“, meint der Professor. „Der Aprilnarr, der sich überall hinschicken lässt, steht für den machtlos gewordenen Winter, mit dem der Frühling tun kann, was er möchte.“
Den ersten April musst überstehen, dann kann dir manches Gute geschehen.Goethe
Warum der Aprilscherz so beliebt ist
Wie und wann auch immer der Aprilscherz entstanden sein mag, er hat jedenfalls Karriere gemacht. Für Psychoanalytiker und Humorforscher Michael Titze war Schadenfreude eine Triebkraft: „Einerseits ist Schadenfreude natürlich die kleine Schwester der Niedertracht“, sagt er. „Sie ist aber auch ein sozialer Gleichmacher, der es dem sozial Schwächeren ermöglicht, sich wenigstens für einen Augenblick auf einem Niveau mit dem vermeintlich Besseren zu fühlen.“
Die Realität war aber freilich oft eine andere. „Nämlich die, dass jene, die ohnehin das ganze Jahr über auf der sozialen Leiter oben standen, am 1. April ihre Untergebenen und Abhängigen öffentlich zum Narren machen konnten“, meint Roman Sandgruber, Leiter des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Linz.
Ob nun die Lust an der Schadenfreude ursächlich war für den Siegeszug des Aprilscherzes oder die Lust am ungestraften Lügen: Bereits im 17. Jahrhundert war der Brauch vor allem im deutschen Sprachraum weit verbreitet. Die Sitte wurde sogar so exzessiv gepflegt, dass Kaiser Leopold I. den am 1. April 1683 unterzeichneten Allianzvertrag auf den 31. März zurückdatieren ließ, um ja keine Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen.
Im 18. Jahrhundert wurde der Aprilscherz dann zu einer Institution, wie sein Vorkommen im Mozart-Singspiel „Die Gärtnerin aus Liebe“ verrät, wenn Nardo zum Podestà über Serpetta sagt: „Glaubt nicht an die Lügen des losen Mädchens, sie will euch schicken in den April!“ Oder Goethes Vers: „Den ersten April musst überstehen, dann kann dir manches Gute geschehen.“ Und auch der Vater des „Wiener Lokalstücks“, Philipp Hafner alias Kilian Fiedelbogen (1735 – 1764), erwähnte den Brauch in seinen Werken.
„Es fällt auf, dass der Aprilscherz Ende des 18. Jahrhunderts eine Art Zeigefinger-Charakter annimmt: Den Naiven wird ihre Naivität und Ewiggestrigkeit mit pädagogischer Absicht vorgeführt“, so Manfred Becker- Huberti. Er hält es für möglich, dass diese Form des In-den-April-Schickens ein Ritual der Bildungsbürger sein könnte, und zwar „auf der Hintergrundfolie der erfolgten Aufklärung“.
Warnungen vor den Scherzen
Immerhin: Übertreiben durfte man es mit den Scherzen nicht. So findet sich in einem Zürcher Kalender von 1775 die Warnung: „Dieses Aprilschiken aber kann doch unterweilen zur Iniurienklage Ursach geben, wenn es zwischen ungleichen Personen vorgegangen.“ Wiewohl es wahrscheinlich selten zu Klagen kam, so war es doch lange Zeit vielerorts üblich, das Opfer eines Aprilscherzes privat zu entschädigen – durch eine Einladung auf ein Glas Bier, Schnaps oder Wein. „So wurde der Genarrte wieder in die Gemeinschaft einbezogen und sichergestellt: Der Aprilnarr ist ein Narr auf Zeit“, erklärt Brauchtumsexperte Becker-Huberti.
Mitunter gingen Aprilscherze natürlich auch nach hinten los. So soll sich am 1. April 1705 Folgendes zugetragen haben: Als der Leiter der Komödiantentruppe am Hof des russischen Zaren Peter I. die vornehme Moskauer Gesellschaft zu einer Galavorstellung lud, bei der nach Heben des Vorhangs nur eine Tafel mit der Aufschrift „Heute ist der erste April“ zu sehen war, wurde er fristlos entlassen. Noch heute halten übrigens Arbeitsrechtler Aprilscherze am Arbeitsplatz für heikel: Als Urheber müsse man mit rechtlichen Folgen rechnen.
Aprilscherze heute und damals
Apropos heute: Während die alte Tradition des Narrens Untergebener durch Höhergestellte abklingt, erleben Aprilscherze durch Massenmedien und soziale Netzwerke in der jüngsten Zeit einen Aufschwung – schließlich ist es seit jeher ein Charakteristikum des Aprilscherzes, dass der Genarrte öffentlich vorgeführt und damit dem Gespött preisgegeben wird.
Der älteste bekannte mediale Aprilscherz im deutschsprachigen Raum stammt übrigens aus dem Jahr 1774: In einem Zeitungsartikel wurde erklärt, dass man Hühner und damit auch Ostereier in allen möglichen Farben erhalte, wenn man die Umgebung des Federviehs in der gewünschten Farbe streiche.
Wie jeder Narrenbrauch rief der Aprilscherz auch Ablehnung hervor. So schrieb eine sächsische Bauernzeitung schon 1822 von einer „höchst unanständigen Gewohnheit“. Und noch heute werden regelmäßig Stimmen laut, die die alte Tradition als infantilen Unfug abtun. Andererseits: Gerade in Zeiten von sogenannten Fake News könnte man sich doch auch über einen Brauch freuen, dessen vornehmste Aufgabe es ist, den gesunden Menschenverstand zu trainieren und der uns daran erinnert, Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Oder wie es Mark Twain formulierte: „Der 1. April ist jener Tag, an dem wir uns erinnern sollen, was wir 364 Tage im Jahr sind: nichts als Narren.“
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