Zu Besuch im Barockgarten von Christian Kis
Ein fruchtbarer Boden wie dieser? Den könne man doch nicht bloß zur Zierde bestellen. Sodass er zu nichts nutz ist und einfach nur schön. Das war zumindest die Ansicht der Eltern von Christian Kis, als sie ihm 1996 den Besitz in Schiedlberg im oberöstereichischen Traunviertel übergaben.
Der Sohn war aber anderer Meinung. Er orientierte sich keineswegs am Nutzen. „Ich wollte mir einen Traum erfüllen, und der hatte eben nichts mit Erdäpfelanbau und Maisernte zu tun“, sagt er heute. Und so begann damals auf dem 7.000 Quadratmeter großen ehemaligen Feld ein barocker Garten nach französischem Vorbild heranzuwachsen.
Das Ergebnis wirkt, besonders in dieser von bäuerlichem Ackerland geprägten Gegend, eher ungewöhnlich. Von oben betrachtet klebt das Anwesen im Sommer wie eine bunte Briefmarke in der Landschaft, aber auch im weißen Winter heben sich seine Umrisse noch deutlich ab. Vor allem Strukturen, Lichteffekte und räumliche Perspektiven prägen das Erscheinungsbild.
Jetzt im Winter zeigt sich der Garten auch nicht mehr farbenfroh und wild, sondern gewissermaßen in seiner geistigen Tiefe. Die umsichtige Gestaltung des 47-jährigen Floristen und Blumenkünstlers fördert Charakterzüge zutage, die im sommerlichen Überschwang der Blüten gar nicht auffallen.
Die vielen Farben sind im Herbst einer breiten Palette von Brauntönen gewichen, und der dunkle Ton der wintergrünen Gehölze übernimmt die Führung in einer Gartenwelt, in der jetzt – wo sie mit Schnee bedeckt ist – alles dem Spiel der Formen untergeordnet ist.
Regeln der optischen Täuschung
Fährt man beim Haus von Christian Kis vor, könnte man meinen, hier lebe ein abgehobener Fremdling. Der Platz sieht ganz anders aus als die braven Vierkanthöfe, die verstreut auf dem Hügelland liegen. Doch Christian Kis ist ein munterer Geselle, der durch und durch verwachsen ist mit dem Land, in dem er lebt. Er hat sich bloß erlaubt, gestalterisch auszubrechen.
Sein Traum wurde durch eine Gartenreise nach England inspiriert, nach einem Besuch im niederösterreichischen Schloss Schiltern mit seinen barocken Rabatten fiel die Entscheidung. Christian Kis begann, die Werke der großen Gartengestalter wie André Le Nôtre zu studieren, der im 17. Jahrhundert den Stil des französischen Barockgartens konzipierte und den Schlosspark von Versailles entwarf. Und er beschäftigte sich mit den gärtnerischen Regeln der Geometrie und der optischen Täuschung.
Dabei erfuhr er spannende Dinge – etwa, dass sich verengende Wege länger erscheinen, sich weitende hingegen kürzer. Doch ums bloße Nachahmen ging es ihm nie, sondern ums Komponieren mit Pflanzen und um das Spielen mit den Formen. Das angeeignete Wissen war nicht mehr als eine nützliche Grundlage zum Selbstgestalten.
Kugeln aus Eisen und Gehölz
Christians Garten beginnt nicht als fließender Übergang zum kleinen Wohnhaus, wie das meistens der Fall ist. Er erstreckt sich ein paar Schritte entfernt als Gesamtkunstwerk, in das man explizit eintreten muss. Vorbei an zwei Säulen aus Kaminziegeln, die mit gusseisernen Medici-Vasen gekrönt sind.
Dann eröffnet sich ein großes Parterre, um es in der Sprache der Barockgärtner zu sagen. Mehr als 2.500 Buchsbäume hat Christian Kis gesetzt und manierlich getrimmt. Sie umrahmen lebhafte Beete, die um eine strenge Mittelachse angeordnet sind, und gewährleisten die formale Gliederung des Gartens. Als Kugeln geformt, bilden sie jetzt Ankerpunkte für den Blick, ebenso wie die immergrüne Stechpalme und die kegelförmig zurechtgeschnittene Eibe. Ohne Konkurrenz durch Blüten entfalten sie im Winter ihre volle Wirkung.
Ein wenig darf jetzt auch noch der Lavendel gelten, der in Form eines Andreaskreuzes gesetzt ist. Christian schneidet ihn nicht vor dem Winter. Er lässt ihn in Ruhe, damit die Form noch sichtbar bleibt und Raureif und Pulverschnee etwas zum Anhalten haben. Auch die Hortensien bleiben noch stehen. Sie werden erst im Frühling eingekürzt.
Die Mitte der Anlage wird von einer riesigen rostigen Schale dominiert. Sie ist so schwer, dass es nur unter großem Aufwand gelang, sie in den Garten zu schaffen. Christian musste mit dem Aufstellen sogar warten, bis der Frost den Boden gefrieren ließ. Im feuchten Frühjahr oder Herbst wäre sie nämlich im weichen Untergrund eingesunken. Sie wirkt jetzt besonders mächtig. So wie die zusammengeschweißten Kugelskulpturen aus alten Mostfassbändern jetzt markante Schwerpunkte im Schnee darstellen.
Ein Zimmer ohne Aussicht
Das ist aber nur ein Teil des Gartens. Der andere ist ein von hohen, akkurat geschnittenen Hainbuchenhecken umrahmtes Zimmer, wie Gärtner solche Räume gerne nennen – vom Rest nahezu blickdicht abgeschirmt. Die Hainbuchen sind jetzt 15 Jahre alt. „Als ich sie gesetzt habe, waren die Äste fingerdick“, sagt Christian, „und jetzt sind die Pflanzen so hoch, dass ich beim Schneiden Hilfe brauche.“
Die rechteckige Fläche am südlichen Ende ist ein Garten für sich, mit einer ganz anderen Atmosphäre und auch einer eigenen Akustik. Christian klatscht in die Hände. Der Hall ist gedämpft, was die Ruhe, die dieses Zimmer ausstrahlt, noch unterstützt.
Dieser Bereich wirkt beinahe leer nach all der Fülle und den Eindrücken, die man noch gespeichert hat. Die Bepflanzung ist vergleichsweise spärlich. Die gesamte Hecke umläuft nur ein schmales Beet, in das Christian Jahr für Jahr andere Blumen setzt, nach welchen ihm halt gerade ist.
Wie kleine Leuchttürme stehen darin Obelisken aus Lärchenholz, die ein befreundeter Zimmermann nach englischem Vorbild gefertigt hat. Daran können sich jetzt Blicke und Schneeflocken festhalten, ebenso wie an einem kleinen runden Beet, dessen Mitte eine barocke Granitbrunnenschale und eine weitere Fassbänderkugel markiert. Zwei Sommerlinden, symmetrisch angeordnet, spenden an heißen Tagen Schatten und sind wichtige Gestaltungselemente sowie Zeugen des Wechsel der Jahreszeiten.
Malen mit Blumen und Gemüse
Die Strenge der Symmetrien und der Geometrie immer wieder zu durchbrechen bereitet dem Gärtner Freude und ist ein sehr sympathischer Teil seines Charakters. Das merkt man vor allem, wenn er erzählt,wie er es mit dem Gemüse hält, das natürlich nicht fehlen darf. Auch hier geht es weniger um Nutzen und Ertrag als vielmehr um Schmuck und letztlich auch Kreativität und feinen Witz.
Christian Kis schummelt sein Gemüse zwischen die Zierpflanzen; dort geht es eine gestalterische Symbiose mit ihnen ein. „Ich suche die Sorten eigentlich mehr nach optischen Gesichtspunkten aus, nach Wuchs und Farbe. Und dann male ich damit“, sagt er.
So darf der Schnittlauch Hecke und Beeteinfassung spielen. Dem Eichblattsalat wird gewährt, auszuwachsen, „weil das so schöne Kegel ergibt“, wie der Gestalter des barocken Gartens findet. Der Rhabarber bereichert mit seinem kräftigen Rot das Farbenspiel der Studentenblumen, und der Mangold begleitet Husarenköpfe und Pelargonien. Selbst das Blaukraut hat reizende Partner gefunden: Es macht sich richtig gut zwischen den Rosen.
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