Über Ziesel, die pfiffigen Eigenbrötler
Ziesel pfeifen auf Sommergefühle. Statt leichter Kost und Bikinifigur ist im Juni Fressen angesagt. Denn die kleinen Erdmännchen haben nur wenige Wochen, um sich auf den Winterschlaf vorzubereiten.
Das Ziesel war früher in vielen Gebieten Niederösterreichs heimisch, zahlreiche Orte schmücken sich mit seinem Namen: Zeiselmauer im östlichen Tullnerfeld, Zeiselberg bei Langenlois oder etwa das Zeisselthal im Bezirk Gänserndorf. Die weite Verbreitung hinterließ Spuren. Und die lateinische Bezeichnung des kleinen Erdhörnchens, Spermophilus, auf Deutsch Samenliebhaber, macht klar, warum: Jungsaaten und Getreidekörner gehören zu seiner Leibspeise.
Die Folge: Das Erdhörnchen mit den großen Augen wurde bis in die 1960er-Jahre als Ackerschädling brutal verfolgt. Viele Gemeinden setzten sogenannte „Schwoaferlprämien“ aus – meist ein Schilling für jeden Zieselschweif, der abgegeben wurde. Vor allem junge Burschen besserten sich damals ihr Taschengeld auf.
Geschäftstüchtige Burschen muss das Erdhörnchen nicht mehr fürchten, anderes schon. Der Lebensraum wird immer knapper. Trockene, kurz geschnittene Wiesen und gemähte Brachen sind ideal, aber die werden rar. Über Tag leben Ziesel ohnehin schon gefährlich. Greifvögel und Krähen haben es besonders auf die kleinen Eiweißspender abgesehen, Gefahr lauert aber auch am Boden. Zieselexpertin Karin Enzinger zieht dabei feine Grenzen: „Das Ziesel ist seit jeher ein wichtiges Beutetier – gerade für seltene Tiere wie den Kaiseradler im Marchtal oder den Steppeniltis.“
Wenig Lebensraum, viele Feinde und Gefahren: Das kleine Erdhörnchen blickt in Österreich nicht gerade rosigen Zeiten entgegen. Lichtblicke gibt es dennoch. So beteiligen sich derzeit 90 ehrenamtliche Naturfreunde am Projekt „Netzwerk Ziesel“, bei dem einzelne Kolonien über Jahre genau beobachtet und gezählt werden.
Und selbst in Sachen Lebensraum gibt es Hoffnungsgebiete: etwa Weingärten. „Ziesel fühlen sich zwischen Rebstöcken durchaus wohl. Auf den langen grünen Bahnen erkennt das Ziesel von weitem, ob Gefahr droht, es ist dort auch vor Greifvögeln besser als auf Freiflächen geschützt. Und da Ziesel keine Wurzeln fressen, schaden sie auch nicht den Weinbauern“, freut sich Enzinger.
Steckbrief Ziesel
Aussehen:
Das Ziesel hat ein gelb-graues Fell und eine weiße Kehle. Aus nächster Nähe sind am Rückenfell 1 bis 2 mm große gelblich weiße Punkte zu erkennen. Das kleine Erdhörnchen hat zudem dehnbare Backentaschen und Pfoten, mit denen es Nahrung auch stehend gut festhalten kann.
Körper:
Das Ziesel wird etwa 20 cm groß und hat ein rund 5 cm langes, dicht behaartes Schwänzchen. Je nach Jahreszeit wiegen Ziesel zwischen 200 und 400 g. Männchen sind größer als Weibchen. Die Geschlechtsreife setzt mit einem Jahr ein, bei Männchen in dicht besiedelten Gebieten teilweise auch erst im 2. Lebensjahr. Das Weibchen bekommt im Mai nach etwa 25 tagen Tragzeit rund 4 bis 6 Junge, die bereits ab Ende Juni aus dem Bau vertrieben werden. Die Lebenserwartung beträgt bei Männchen etwa 4 Jahre, bei Weibchen 6 Jahre und in Gefangenschaft bis zu 8 Jahre. Über die großen, weit oben liegenden Augen nimmt das Ziesel besonders gut Feinde wahr, außerdem spielt das Gehör eine wichtige Rolle.
Nahrung:
Die wichtigste Nahrung sind grüne Pflanzenteile. Ziesel fressen neben Klee, Löwenzahn und Schafgarbe auch verschiedene Kräuter sowie Insekten und Raupen. So in unmittelbarer Nähe verfügbar, stehen auch Jungsaaten und Getreidekörner auf dem Speiseplan, selten werden auch Jungmäuse verzehrt.
Lebensweise:
Ziesel sind tagaktiv und leben, abgesehen von der Paarungszeit und der Aufzucht der Jungen, allein. Untereinander dienen verschiedene Laute zur Verständigung, die von Warnpfiffen bis zu katzenähnlichem Fauchen bei Auseinandersetzungen reichen. Während des Winterschlafs, der für kurze Wachphasen unterbrochen wird, sinkt die Körpertemperatur auf 3 bis 5 °C. Im Bau selbst gibt es keine Nahrungsvorräte, das Ziesel lebt den Winter über einzig von den körpereigenen Fettreserven.
Vorkommen:
Ziesel bevorzugen ein mildes Klima mit eher wenig Niederschlagsmenge.
In Österreich beschränkt sich der Lebensraum daher auf eine Seehöhe von maximal 500m; große Populationen leben unter anderem in Krems an der Donau, im Weinviertel, in den östlichen niederösterreichischen Bezirken Gänserndorf und Bruck an der Leitha sowie in Teilen des Burgenlands. Die gesamte Population wird in Österreich auf rund 25.000 Tiere geschätzt, Tendenz: sinkend.
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