Hausbesuch im steirischen Donnersbachwald
Bald einmal nach Irdning führt die Straße durch eine wildromantische Talenge hinauf auf tausend Meter Seehöhe in die Ortschaft Donnersbachwald. Dort, am Fuße der Riesneralm, steht ein charmantes Holzhaus, und davor winkt Andrea. „Ihr kommts grad richtig, ich bin grad am Brotbacken“, sagt sie zur Begrüßung. Und dass sie schon am Berg gewesen sei und Hirsche beobachtet habe. Wir folgen ihr einstweilen durch das Vorhaus in die Wohnküche, wo uns Familienhund Athos stürmisch begrüßt, bevor er sich artigst zum Herrli in den Herrgottswinkel verzieht.
Einen festen Händedruck später – während Andrea dem Brotlaib mit ein paar Kürbiskernen den letzten Schliff gibt und ihn in den Backofen schiebt – beginnt Hausherr Christian auch schon zu erzählen. Von ihren vier Kindern, vom Beruflichen – er ist Unternehmer, Andrea Shiatsu-Praktikerin – und dass der anstrengende Arbeitsalltag der Grund war, weshalb „wir ein zweites Zuhause in der Natur gesucht haben“.
„Ja, aber unsere Wünsche waren nicht leicht unter einen Hut zu bringen“, ruft Andrea vom modernen Küchenblock herüber und lacht. „Ein Bauernhaus sollte es sein. Alt. An einer Skipiste gelegen. In absoluter Ruhe. Trotzdem nicht zu abseits. Es sollte Platz für die ganze Familie bieten. Na ja, und von Weiz, unserem Hauptwohnsitz, sollte es auch keine Ewigkeit entfernt sein.“
Abgetragen und aufgebaut
Andrea und Christian sagen von sich selbst, dass sie Glückspilze sind. Muss wohl stimmen. 2013 fanden sie, was sie wollten. Eine Annonce brachte sie nach Donnersbachwald, das angepriesene Bauernhaus begeisterte sie sofort. Es war erst ein paar Jahre zuvor in Pöllau abgetragen und hier wiederaufgebaut worden und präsentierte sich als Schmuckkästchen.
„Es war alles so gepflegt. Wir mussten nur durchputzen, und dann stand Weihnachten in unserem zweiten Heim nichts mehr im Weg“, erinnert sich Andrea.
Ein ungebetener Gast
Aber wie so oft lag der Teufel im Detail, und Fotos zeigen, wie dann doch alles ganz anders kam. „Die düsteren kleinen Zimmerln begannen uns zu stören. Also haben wir beschlossen, kleine Umbauarbeiten in Kauf zu nehmen“, erzählt Andrea.
Dann, im Frühjahr, bemerkten sie einen ungebetenen Gast im alten Gebälk: den Hausbock, auch Großer Holzwurm genannt. Seine Spuren ließen nichts Gutes ahnen. Und tatsächlich, bald war klar: Das wird eine Großbaustelle. Auch weil sich die Dämmung als schimmelig erwies und so eines zum anderen kam.
„Im späten Frühjahr stand nur noch die Hülle unseres Traumhauses. Zuerst musste der Hausbock verbannt, dann die Substanz erneuert werden. Danach haben wir aufgestockt und sechs Zimmer zusammengelegt. Auch die vielen Niveauunterschiede haben die Planung nicht einfacher gemacht“, sagt Christian.
So wird's gemacht: Wie man einen Holzwurm entfernt
Wenn der Große Holzwurm, auch Hausbock genannt, Appetit auf ein Haus hat, dann muss sofort gehandelt werden. Andrea und Christian wollten ihm nicht mit der chemischen Keule zu Leibe rücken, sondern entschieden sich für die thermische Schädlingsbekämpfung.
Dabei wird das gesamte Haus wie von einem Verpackungskünstler eingepackt und dann mit riesigen Schläuchen Wärme in die Räume geleitet. 55 Grad mussten es im Fall von Andrea und Christian sein.
Ein Computer ermittelt schließlich über mehrere Wochen die Erwärmungsdaten des Holzes und beendet das Verfahren erst, wenn der Holzwurm beseitigt ist.
Diese Methode wird vor allem bei historischen Gebäuden verwendet, weil sie kaum Schäden verursacht.
Ein Kachelofen als Blickfang
Bevor wir mit ihm einen Rundgang durchs Haus machen, erfahren wir noch, dass sich rund um den Herrgottswinkel, wo wir jetzt so gemütlich sitzen, ursprünglich drei düstere Kammerln befanden. Jetzt breitet sich hier die große, lichte Wohnküche aus, in der die Familie sogar noch lieber zusammenkommt als im Wohnzimmer ein paar Stufen tiefer.
In diesem Raum ist ein Kachelofen, hinter dem sich eine urgemütliche Nische mit Sofa verbirgt, der Blickfang. Andrea und Christian haben ihn bauen lassen. „Mit grün geflammten Kacheln nach alter Tradition“, sagt der Hausherr. Der Ofen selbst ist von modernem Zuschnitt, die Kombination von Alt und Neu ergibt ein sehr harmonisches Bild. Insgesamt wirkt die Einrichtung fast spartanisch. Das im Zuge der Renovierung verwendete Fichtenholz vermittelt trotzdem wohlige Wärme.
Überall duftet es nach Holz
Auf unserem Rundgang kommen wir nun einen Halbstock höher. Hier befinden sich das Bade- und das Schlafzimmer sowie eine Sauna. Überall duftet es herrlich nach Holz. „Es gibt nichts Schöneres, als sich im Winter nach einer Skitour in der Sauna zu entspannen. Eigentlich wollten wir noch einen Ruheraum schaffen, aber dann hätte es keinen Platz für das Badezimmer gegeben – und wir wollten doch eines mit Fenstern und Ausblick vom Balkon haben. Deshalb haben wir aufgestockt und unter dem Dach einen Rückzugsort errichtet“, erzählt Andrea.
Auf dem Weg dorthin gibt es noch eine Etage, in der sich nur die Kinder und Gäste einquartieren. Die Großen, Sebastian, 27, Valentin, 24, und Marie-Theres, 22, kamen von Anfang an immer gerne. Antonia, die 15-Jährige, musste erst die Liebe zum Landleben entdecken, ihr gefällt es aber mittlerweile ebenfalls. Vor allem, wenn sie mit Freundinnen kommen kann und Mama eine Pizza in den Holzofen schiebt. „So haben wir sehr oft ein volles, fröhliches Haus mit Treffpunkt Wohnküche“, erzählt Andrea voll Freude.
Der beste Platz zur Entspannung
Das Reich der Hausherrin ist übrigens der vorhin erwähnte Rückzugsbereich im obersten Stock. „Hier habe ich meine Shiatsu-Matte und beobachte das Treiben am Waldrand. Ich kann mir nicht vorstellen, wo auf der Welt ich mich genauso entspannen könnte wie hier“, meint sie. Seit zwei Jahren ist nun alles fertig im Haus, und die Familie verbringt so viel Zeit wie möglich in Donnersbachwald.
„Die Riesneralm liegt vor unserer Haustür, und sie ist ein herrliches Skigebiet. Die Ruhe ist wunderbar, und in der Dorfgemeinschaft sind wir auch integriert. Und wenn wir abends beim Kachelofen sitzen, sind wir immer noch erstaunt, dass sich alle unsere Wünsche erfüllt haben. Aber wir sind eben Glückspilze“, sagt Christian und lächelt.
Dieser Hausbesuch erschien in Servus in Stadt & Land im November 2017.