Oma Gertys Vanillekipferl

Meine Tante Gerty war nicht meine Oma, sondern die Oma meiner Großcousins. Aber das tut nichts zur Sache. Was viel wichtiger ist, ihr Leben war geprägt von Glamour und Hausverstand. Die Tochter einer Hoteliersfamilie schrieb ihren Namen mit einem Ypsilon. Ihr Kindermädchen verliebte sich zu Grammophonmusik in ihren Chauffeur. Ich kannte sie nur mit korallenrotem Lippenstift. Als ihre Lieblingsfarbe Tangerine-Koralle aufgelassen wurde, kaufte sie alle Restbestände im ersten Bezirk auf. „Das muss bis zu meinem Tod reichen“, sagte sie. Sie sorgte gerne vor.

„Es ist nie zu spät, um sich Träume zu erfüllen.“

Tante Gerty lebte zeitlebens in einem Haus, das irgendwann zum Goldenen Quartier der Wiener Innenstadt erklärt wurde. Mehrmals versuchten böse Menschen, meine Tante aus ihrer Wohnung zu vertreiben. Sie wurde im Stiegenhaus überfallen, dubiose Rohrbrüche fluteten ihre Wohnung. Aber Tante Gerty war stur.

„Sie haben mich schon einmal vertrieben. Im Krieg. Noch einmal gelingt ihnen das nicht.“ Tante Gerty kochte jahrzehntelang täglich für Verwandte, Kinder und Enkelkinder. Manchmal löste die viele Kocherei die Rauchmelder im Haus aus. Dann kam die Feuerwehr, um den angeblichen Brand zu löschen. „Ich back doch nur Palatschinken“, sagte die Tante Gerty und servierte den Feuerwehrmännern auch gleich welche.

Mit 77 fand sie, dass sie dafür auch Geld verlangen könne, und eröffnete ein Gasthaus. Sie bekam Jungunternehmerförderung, wurde ins Fernsehen eingeladen und gefragt, warum man sich das in diesem Alter noch antut.Tante Gerty sagte: „Es ist nie zu spät, um sich Träume zu erfüllen.“

Sie schrieb private Kochbücher, die für Menschen geeignet waren, die kochen konnten.

Die Angaben lauteten circa so: Champignoncremesuppe: Man mache eine lichte Einbrenn und verfahre ansonsten wie bei Spargelcremesuppe.

Genauer war sie bei den Backrezepten. Und ihre Vanillekipferl waren legendär – so mürbe, dass man sie am Gaumen zerdrücken konnte, und dank der vorab gerösteten Haselnüsse von betörendem Aroma. Die Kipferl verschenkte sie gerne in den Schuhschachteln der Luxusboutiquen, die unter ihr eingemietet waren. Die Schachteln fischte sie aus den gemeinsamen Altpapiercontainern. Wär ja sonst schad drum gewesen.

Zur Autorin: Martina Parker hat vor drei Jahren alles hingeworfen, um Bestsellerautorin zu werden. Die Südburgenländerin schreibt Gartenkrimis, und beim Verfassen dieser Kolumne fiel ihr auf, dass mehr von Tante Gerty in ihr steckt, als sie dachte. Ihr neuester Krimi „Ausg’stochen“ ist im Gmeiner Verlag erschienen.

Dieses Rezept erschien in Servus in Stadt & Land im November 2023 in der Rubrik „Aus Omas Kochbuch“.