Hauptspeise

Rahmschwammerl

„Seit Kindestagen suche ich keine Schwammerl mehr. Dennoch sind sie in Rahm und mit Semmelknödel meine Leibspeis. Oma sei Dank!“ Autor Tristan Berger verrät uns das bewährte Familien-Rezept und seine Kindheitserinnerungen daran.

Rahmschwammerl mit Semmelknödel, Pilzsauce, Schwammerlsauce, Besteck mit Holzgriff, Glas Mineralwasser, grün karierte Stoffserviette, Hozsuppenschüssel, naturfärbiges Tischtuch
Foto: Ingo Eisenhut
Zum Schluss kommt frisch gehackte Petersilie über die Rahmschwammerl gestreuht, dann kann‘s auch schon gegessen werden.  

Wer meine Großmutter nicht genauer kannte, hätte sie für geizig halten können. Das aber war sie ganz und gar nicht, o nein, sie war – wie viele andere ihrer Generation – sparsam. Da wurde nix weggeworfen: Ausgewaschene Joghurtbecher konnte man noch als Trinkgefäß benutzen (und wurden für die durstigen Enkel mit unzähligen Litern „Tri Top“ gefüllt), alte Hemden dienten noch jahrelang als Putzlappen, leere Zuckertüten wurden zerschnitten, weil die unbeschriftete Rückseite zum Notizzettel taugte.

Arm aber fühlte sich meine Großmutter nie. Warum auch?

Sie hatte ja alles, was sie zum Leben brauchte. Da war ihr wunderbarer Garten mit ihrem geliebten Phlox, da standen drei Apfelbäume mit den herrlichsten Winteräpfeln. Kühl und dunkel gelagert, konnte man sie noch bis in den Mai hinein essen, manche Woche ernährte sich der klamme Student, der ich war, von fast nichts anderem.

Natürlich ging meine Oma auch „ins Holz“, mehrmals die Woche zog sie mit einem kleinen Leiterwagen los, klaubte Reisig und Knüttel, womit sie den einzigen Ofen ihrer Wohnung heizte.

Auch sonst wurde gesammelt, was der Wald hergab: Beeren jeglicher Art – und Schwammerl, unter denen ihr die Rotkappen die liebsten waren; gehören diese doch zu jenen Pilzen, die mit keinem giftigen verwechselt werden können.

Eines Tages nun – was immer der Grund gewesen sein mag – ging sie nicht selbst auf Schwammerlsuche, sondern schickte stattdessen meinen Großvater los, drückte ihm noch einen grünen Korb in die Hand, mich Sechsjährigen sollte er gleich mitnehmen.

Nun ist es gemeinhin so, dass ein versierter Pilzesammler, der „in die Schwammerl“ geht, seine Plätz’ geheim hält wie einst die Schweizer Banken die Namen ihrer Kunden. Solch ein Profi reißt die Schwammerl nicht einfach aus, sondern schneidet sie mit einem Messerlein fein säuberlich ab, streut hernach Erde und Laub über die Fundstelle, damit nichts den Schwammerlplatz verrät.

Wir aber kannten keine Plätze und wussten nichts vom Messerlein, rupften das „Fleisch des Waldes“ samt Wurzel aus: Mein Großvater zeigte dort auf einen Pilz, ich sprang über Wurzeln gleich dorthin, er wies hierhin, ich hüpfte wieselflink über Moospolster, packte das einbeinige Männchen mit seinen dünnen Wurzelbeinchen und reckte es triumphierend in die Höhe. Schnell war unser Korb übervoll mit Schwammerln, stolz stapften wir nach Hause und präsentierten unsere Sammlung meiner Oma.

„Brav“, sagte sie und strich mir über den Kopf, dann begann sie zu sortieren: hierhin die genießbaren, dorthin die nicht genießbaren … Letztere wurden immer mehr – ein wahrer Berg türmte sich auf –, während auf der anderen Seite nur ein einziger Pilz übrig blieb.

Es war: eine kleine, bescheidene Rotkappe.

Seither überlasse ich das Schwammerlsuchen anderen – was aber nichts daran ändert, dass seit Kindertagen Rahmschwammerl mit Semmelknödel meine Leibspeis’ sind.

Zum Autor: Tristan Berger isst gerne und gerne auch viel, deshalb ist er viel auf den Beinen, um sein Gewicht unter 70 Kilo zu halten. Der Münchner Dramaturg und Autor schreibt seit zehn Jahren für Servus.

Dieses Rezept erschien in Servus in Stadt & Land im September 2023 in der Rubrik „Aus Omas Kochbuch“.

Dazu passt:

  • Frischer Kopfsalat mit gutem Sonnenblumen- oder Olivenöl, Weißweinessig, Salz, Pfeffer und einer guten Handvoll klein geschnittenem Schnittlauch.

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Menge Zubereitungszeit Gesamtzeit
4 Portionen 20 Minuten 1 Stunde
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Für die Schwammerl
750 g Rotkappen (auch Seitlinge oder braune Champignons)
Saft von 1 Zitrone
1 Zwiebel
0,5 Bund Petersilie
10 g Butter
3–4 EL Mehl
0,15 l trockener Weißwein
1 l Gemüsebrühe
200 ml Obers
Für die Knödel
1 Zwiebel
0,5 Bund Petersilie
100 g geräuchertes Wammerl (Bauchspeck) – optional
0,5 l Milch
10 g Butter
400 g Knödelbrot
2 Eier
0,5 TL Paprikapulver, mild
Salz, Pfeffer
0,5 TL getrockneter Thymian
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Zubereitung
  1. Schwammerl putzen, in Streifen schneiden und mit Zitronensaft beträufeln, damit sie nicht anlaufen.

  2. Für die Knödel Zwiebel fein würfeln und Petersilie hacken. Nach Belieben Wammerl in kleine Streifen schneiden.

  3. Milch erwärmen. Knödelbrot in einer Schüssel mit warmer Milch übergießen, Butter in einer Pfanne schmelzen, Zwiebel, Petersilie und Wammerl zugeben. Einige Minuten leicht andünsten, unters Knödelbrot mischen. Eier darüber schlagen, mit Paprika, Pfeffer, Salz (nur wenig, wenn man Wammerl verwendet) und Thymian gut vermischen. 2 Liter Salzwasser aufkochen. Acht Knödel formen, 20 Minuten darin ziehen lassen.

  4. Für die Schwammerlsauce Zwiebel und Petersilie fein hacken. Butter in einem Topf schmelzen, Zwiebel zugeben und glasig anschwitzen. Pilze zugeben, mit Mehl bestäuben, einige Male gut umrühren, mit Wein ablöschen und Gemüsebrühe zugießen. Ca. 15 Minuten köcheln lassen, bis die Schwammerl weich sind. Obers und Petersilie zugeben, nach Bedarf salzen. Vom Herd nehmen, mit Zitronensaft abschmecken.

  5. Knödel aus dem Wasser nehmen, auf dem Teller vierteln. Rahmschwammerl darüber verteilen und nach Gusto pfeffern.

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