Die bunte Welt der Aurikeln: Pflege und Standort
Vom Tiroler Gschnitztal aus, wo ihre botanischen Wurzeln liegen, hat die Bastard-Aurikel eine schwindelerregende Karriere gemacht. Unterwegs löste die elegante Schwester der Primel gar einen veritablen Aurikel-Wahn aus.
„Mit ihrem offenen, lebhaften Gesicht machen sie einen derart gescheiten Eindruck, dass man den ganzen Tag mit ihnen verbringen könnte.“ So urteilt die legendäre britische Gartenschriftstellerin Mary Keen über die „leuchtenden, schmucken Aurikeln“. Allein ist sie mit dieser Leidenschaft nicht.
Garten-Aurikel (primula x pubescens)
Andere Namen: Bastard-Aurikel, Schau-Aurikel.
Familie: Primelgewächse (Primulaceae).
Blütezeit: Hauptblütezeit ist von April bis Ende Mai.
Standort und Pflege: Alle robusten Aurikelsorten wachsen in ganz normalem Gartenboden. Sie mögen es hell und luftig, sollen aber nicht der prallen Mittagssonne ausgesetzt werden und vertragen keine Staunässe. Gut geeignet sind lichtreiche, nordseitig gelegene Plätzchen, idealerweise vor einer Hauswand. Alle empfindlicheren Sammlerstücke unter den Primula × pubescens-Sorten zieht man besser einzeln in kleinen Tontöpfen – und zwar am besten in Bonsai-Spezialerde. Sie lieben helle, kühle Standorte ohne direkte Sonne. Einmal im Jahr, nach der Blüte, werden sie umgetopft.
Über wenige Gartenblumen sind so viele Abhandlungen und Bücher verfasst worden wie über die Garten-Aurikel, die elegante Schwester der weitaus bescheideneren Frühlingsprimel (Primula vulgaris). Schön sind Aurikeln tatsächlich, in berauschend altmodischer Weise. Kein Wunder, dass manche sie als „lebende Antiquitäten“ bezeichnen.
Die Schönen mit den langen Stängeln, den kleinen Gruppen runder Blüten und der Rosette aus dickfleischigen Blättern haben eine besonders ruhmreiche Geschichte. Im 18. und 19. Jahrhundert zog sich ein wahrer Aurikel-Begeisterungssturm quer durch Europa. Auf dem Höhepunkt sprach man von einem Aurikel-Wahn, dessen Anhänger Kollektionen von bis zu tausend Exemplaren zusammentrugen.
Sie tauschten sich intensiv untereinander aus, schrieben ausufernde Fachbücher und malten die zauberhaften „Öhrchen“ – so die wörtliche Übersetzung von Aurikel aus dem Lateinischen – detailgenau nach der Natur.
Aurikeln erblühten auf flämischen Ölgemälden, fanden Erwähnung in Goethes „Wahlverwandtschaften“, wurden von Aurikel-Gesellschaften in genormte Typengruppen unterteilt und zierten, einzeln im Topf gezogen, die halbkreisförmigen Stufenreihen von sogenannten Aurikeltheatern. Heimarbeitende Weber pflegten sie ebenso liebevoll in den Hinterhöfen von Mietskasernen wie adelige Damen und Herren in ihren Schlossgärten. Und bei Aurikelschauen, die es in England bis heute gibt, traten und treten die schönsten Exemplare gegeneinander an.
Schlichte Hochgebirgsherkunft
Eine spektakuläre Karriere für ein Pflanzenkind von schlichter Herkunft aus dem entlegenen Tiroler Hochgebirge. Die Aurikel wurde erstmals im 16. Jahrhundert von Carolus Clusius, einem berühmten Hofbotaniker in Wien und großen Erforscher der Alpenflora, beschrieben. Er hatte im Gschnitztal bei Innsbruck eine Primel gefunden, die er nach der Form ihrer Blätter als Bärenöhrchen bezeichnete.
Sie fand großen Anklang, wurde von Clusius nach Belgien verschickt, machte dort ihres schönen Baus, des köstlichen Geruchs und der eigenthümlichen Farben wegen sofort gewaltigen Eindruck und war bereits ein paar Jahrzehnte später in vielerlei verschiedenen Zuchtsorten bekannt.
Erst etwa 300 Jahre später, Ende des 19. Jahrhunderts, klärte der österreichische Botaniker Anton Kerner von Marilaun das Rätsel ihrer Herkunft: Er fand heraus, dass es sich bei Clusius’ Bärenöhrchen nur um eine in der Natur entstandene Kreuzung der gelb blühenden Alpen-Aurikel oder Gamsblume (Primula auricula) und der lila-pinkfarbenen Drüsenhaar-Primel (Primula hirsuta) handeln konnte.
Die Kreuzungen der beiden, die unter dem botanischen Namen Primula × pubescens längst große Karriere gemacht haben, zeigen die Merkmale ihrer Eltern in bunter Mischung und vor allem in gewaltiger Farbenvielfalt von weißlichem Gelb über Braun, Rot, Purpur bis Blauviolett und fast Schwarz. Einige bedeckt eine anmutige mehlig-weiße Puderschicht, gerade so, als wären sie stark geschminkt. Dieses zarte Detail ist ein Erbe der väterlichen Gamsblume.
Die Natur selbst hat also mit der Garten-Aurikel einen Star geboren. Hunderte Sorten wurden seither gezüchtet. Neben Sammlerstücken, die recht empfindlich sind und besser nur im Topf gezogen werden, gibt es auch robuste Beet-Aurikeln, die im Gartenbeet oder im Steingarten beste Figur machen.
Neben solch berückenden Sorten wie „Sirius“ (goldfarben in der Mitte, mit einem äußeren Ring aprikotfarbener Blütenblätter und einem inneren von Mahagoni), „Sandwood Bay“ (karminrot und goldfarben) oder „Adrian“ (lila mit blassgelber Mitte) gibt es besonders begehrte Aurikeln wie „Prag“ mit grün und grau-gerandeten Blütenblättern.
Bezaubernd sind sie allesamt, wenn sie ab April ihre runden Blütengesichter an den langen Stielen öffnen.
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