Mythen über Pilze: Geschichte und Aberglauben
1. Schwammerlzwerge
Im steirischen Volksglauben war man überzeugt, dass das Wachstum der Pilze von Geistern beeinflusst wird: den „Schwammazwergeln“ beziehungsweise „Schwammamandeln“. Auch glaubte man, dass die Schwammgeister vor allem jenen Menschen hold waren, die nicht „richtig getauft“ waren, weil der Geistliche etwas übersehen hatte, und sie somit noch teilweise Heiden waren. Die fanden viele Schwämme.
2. Opfer für Waldgeister
Um mit reicher Beute nach Haus zu kommen, wurde auch empfohlen, die ersten drei gefundenen Pilze in einen hohlen Baum zu stecken oder den ersten hinter sich zu werfen. Es sind Rituale, die immer noch dem Glauben an Waldgeister geschuldet sind, denen man besser ein Opfer bringen sollte.
Mythen gibt es zuhauf. So soll man auch viele Pilze finden, wenn man ungewaschen und schlecht angezogen ist oder zumindest die Schürze verkehrt umgebunden hat oder barfuß den Wald betritt.
3. Schwammuhr
Nützt das alles nichts, dann hilft ganz sicher die „Schwammuhr“. Dafür reißt man von einem Grashalm ein Stück ab, das etwas länger als der Nagel des linken Daumens ist. Dann benetzt man den Fingernagel ordentlich mit Speichel, legt den Grashalm darauf, und schon zeigt dieser die Richtung an, in der die meisten Schwämme stehen.
Wer sich dann auch noch mit dem ersten gefundenen Schwamm die Augen auswischt, schärft seinen Blick für weitere Funde.
4. Donner als Startsignal
Die Schwammzeit begann übrigens immer, wenn der erste Donner im Jahr vernommen wurde, auch auf die Suche ging man am besten donnerstags.
5. Schwammheilige
Als „Schwammheilige“ galten St. Veit und Petrus. Von Ersterem sagte man, er würde in der Nacht des 15. Juni auf einem blinden weißen Ross ausreiten und Schwammsamen säen. In Oberbayern hieß es: „St. Veit baut die Recherl (Eierschwammerl) an.“
Von Zweiterem, Petrus, wird folgende Geschichte erzählt: Als er einmal mit Jesus unerkannt in ein Dorf kam, schenkte ihnen eine Bäuerin einen frischen Brotwecken. Petrus konnte nicht widerstehen und biss ab in der Hoffnung, dass Jesus dies nicht bemerken würde. Doch dieser fragte ihn dies und das, und Petrus, der mit vollem Mund nicht antworten konnte, spuckte das Stück Brot aus. Das wiederholte sich einige Male, bis er das ganze Brot ausgespuckt hatte.
Damit aber diese zerkauten Brotstücke noch einen Nutzen hatten, verwandelte sie Jesus in Pilze. Aus den ersten Bissen entstanden Steinpilze und Eierschwammerl. Aus denen aber, bei denen Petrus im Zorn geflucht hatte, entstanden Satanspilze und Fliegenpilze, die Mensch und Tier vergiften.
„HEILIGER ST. VEIT, GIB UNS SCHWAMM AUF FREIER WEIT, KLOANE SCHWAMM, GROSSE SCHWAMM, ALL IN MEIN BINKEL ZSAMM.“In Gebeten versuchte man die zuständigen Heiligen gewogen zu machen, um eine reiche Pilz Ernte zu erhalten.
6. Wetterorakel
Überliefert ist weiters, dass am Peterstag (Peter und Paul, 29. Juni) die Steirerinnen von nah und fern nach St. Peter bei Graz pilgerten und um Schwammerlsamen baten.
Und dass auch im Wetterorakel die Pilze eine Rolle spielten. Wenn es an Peter und Paul viel regnete, „regnete es Schwamma“ in diesem Jahr. Was allerdings nicht nur Gutes bedeutete: „Viel Schwammer, viel Jammer“ hieß es auch. Schließlich sind gute Schwammjahre meist regenreich, was sich wiederum auf die Getreideernte negativ auswirkt.
7. Schamlose Pilzgestalten
Ein ganz anderes Kapitel ist das Thema Fruchtbarkeit. Wenn der Herbst nicht zu kalt ist und es einige Tage regnet, dann „schießen“ die Pilze ja gleichsam über Nacht aus dem Boden. Daher dachte man, dass sie die Fruchtbarkeit anregen könnten.
Auch erinnern die Formen mancher Pilze an das männliche Geschlechtsorgan. Die Stinkmorchel zum Beispiel. Sie erhielt ihren botanischen Namen von Carl von Linné, dem Begründer der systematischen Botanik, bei der die Pflanzen einen Gattungs- und einen Artnamen bekommen. Angeblich sagte seine Frau, die Stinkmorchel sehe aus wie ein „schamloses männliches Glied“, woraufhin Linné den Pilz Phallus impudicus taufte.
Jahrtausendealte Heilanwendungen von Pilzen
Dass Pilze als Heilmittel zu gebrauchen sind, weiß der Mensch sicher schon seit der Steinzeit. Wer kennt nicht die Geschichte von der Gletschermumie Ötzi. Der Mann aus dem Eis trug an Fellstreifen aufgefädelt zwei Pilze mit sich – Birkenporlinge, die eine antibiotische und wundheilende Wirkung haben und auch gegen Darmparasiten wirken, an denen Ötzi vermutlich litt.
In der Antike beschrieben die Kräuterbuchautoren Plinius, Dioskurides und Galen vor allem den Lärchenporling, Agaricum genannt, als Panazee, als Allheilmittel.
Auch die Kräuterdoctores des Mittelalters kannten den Agaricum, doch daneben lobten sie auch das Judasohr und den Riesenbovist: Der dürre Bubenfist mit seinem Meel und Staub dienet zu den fließenden alten Schäden, die werden dadurch trocken und schicken sich zur Heilung.Die Stinkmorchel wurde gegen Gicht verwendet, sicher eine duftintensive Therapie. Der Hallimasch stand im Ruf, ein Abführmittel zu sein. Auf diesen Effekt weist auch sein Name hin, der angeblich aus Österreich stammt: Aus dem volkstümlich-drastischen „Hell im Arsch“ soll sich dann der Hallimasch entwickelt haben.
Leider geriet die Anwendung von heilsamen Pilzen bei uns in Vergessenheit, ganz im Gegensatz zu China und Japan, wo sie eine jahrtausendealte Tradition hat. Ganz im Sinne von Yin und Yang sollen die Pilze dazu dienen, energetische Ungleichgewichte im Körper auszugleichen. Interessant ist, dass fast alle Pilze, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verwendet werden, auch bei uns wachsen, aber nie verwendet wurden.
Der Klapperschwamm, ein Baumpilz, der bei uns auch „Henne im Wald“ hieß, wird in Japan Maitake genannt, was so viel wie „Tanzender Pilz“ bedeutet. Angeblich freuten sich die Pilzsammler so sehr über den Fund des seltenen Exemplars, dass sie Freudentänze aufführten. Der Pilz stärkt das Immunsystem und soll sogar gegen Tumorbildungen helfen.
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