Pflanzenporträt Mispel
Ein vergessenes Obst feiert fröhliche Urständ: Der kleine Mispelbaum kehrt zurück in unsere Gärten. Seine Früchte sind die letzten im Jahreskreis – und brauchen ein paar frostige Nächte, um so richtig süß und reif zu werden.
Nur nichts überstürzen. Alles braucht seine Zeit. Die Mispel ist das beste Beispiel dafür. Der kleine Baum erblüht zwar schon im Mai oder Juni, doch dann dauert’s eine Ewigkeit, bis die anfangs steinharten Früchte erntereif werden.
Erst im November, wenn die Nächte wirklich frostig werden, kann man mit Fingerdruck prüfen, ob sie langsam weich werden. Und erst wenn sie eine gewisse Batzigkeit erreichen, sind sie recht. Dann werden die Mispeln gleich einmal genüsslich verkostet, kommen bei bestandener Probe ins Körberl und im Anschluss in den Kochtopf.
Mispel (Mespilus germanica)
Boden: Gepflanzt wird der Baum idealerweise im Herbst in einen nährstoffreichen, am besten lehmig-kalkigen Boden. Man gibt ihm eine Handvoll Hornspäne und eine Handvoll Gartenkalk mit auf den Weg. Staunässe mag die Mispel, die nur 3 bis 6 Meter hoch wird, ebenso wenig wie allzu große Trockenheit. Normale bis karge Bedingungen reichen vollkommen aus.
Licht: Mispeln vertragen Halbschatten recht gut, gedeihen jedoch am besten, wenn sie vollsonnig stehen. In absoluten Schattenlagen wird die Mispel kümmern. In sehr kalten Lagen empfiehlt sich in den ersten Jahren leichter Frostschutz.
Schnitt: Mispeln werden anfangs am besten gar nicht geschnitten und in höherem Alter – wenn erforderlich – vorsichtig ausgelichtet.
Lagerung: Unbeschädigte reife Früchte (die einen Durchmesser von 3 bis 7 Zentimetern erreichen) können unter 10 °C bis zu 4 Wochen gelagert werden.
Süße Beute für die Vögel
Denn ab diesem Moment muss man sich dann doch ausnahmsweise beeilen: Sobald Mispeln süß und weich sind, sitzen rundherum schon die Krammetsvögel und andere Zwitscheranten erwartungsvoll in den Bäumen und lauern auf die kupfer-goldig glänzenden Raritäten – die gehören nämlich zu ihren Lieblingsspeisen.
Die Mispeln sind die allerletzten Früchte der Saison. Auch das macht sie zur Besonderheit. In manchen Jahren liegt bereits Schnee, wenn sie gepflückt werden. Ihr Geschmack ist unbeschreiblich: herb, süß-säuerlich, weich, anfangs gewöhnungsbedürftig, später mit Suchtfaktor belegt. Und bitte auf die harten Kerne aufpassen, also vorsichtig beißen, besser zuzeln!
Eschperl, Mischperl, Asperl oder Hesperl wurden sie einst genannt – vom Mittelalter bis in die Biedermeierzeit waren die heute raren Früchte in unseren Breiten tatsächlich in aller Munde, ehe sie in Vergessenheit gerieten. Man braute daraus Wein, setzte Sirup und Liköre an, verkochte sie, je nach Region, zu Marmeladen und Gelees, legte sie süßsauer in Essig ein oder verarbeitete die Mispeln zu Kuchen und Torten.
Gut für die Verdauung
Gesund sind die Vitamin-C-reichen Früchte auch: Ihre Inhaltsstoffe wirken nachweislich der Arteriosklerose entgegen, lindern Harnwegsentzündungen und fördern die Verdauung. Das hat bereits Hildegard von Bingen gepriesen, in deren Garten natürlich ein Mispelbaum stand. So wie eben noch vor ein, zwei Generationen in jedem Bauerngärtlein und in jedem Klostergarten. Aber wie gesagt: Alles braucht seine Zeit – und jene der Mispel bricht glücklicherweise gerade wieder an.
Doch die Bäumchen sind in der Zwischenzeit selten geworden. So mancher, der einen alten Garten geerbt hat, könnte sich heute in den Hintern beißen, weil er seinerzeit den schönen kleinen Mispelbaum seiner Ahnen missachtet und umgeschnitten hat. Apropos: Ein alter Name der Mispel lautet allen Ernstes Hundsarsch. Diese brachiale Bezeichnung bezieht sich auf die Kelchblättchen, die auf den Früchten stehen bleiben und eigentlich wie ein hübsches Krönchen aussehen.
Woher der Obstbaum stammt, lässt sich heute nicht mehr genau sagen, vermutlich aber aus östlichen Gefilden, aus dem Kaukasus und der Ukraine. Bereits Griechen und Römer kultivierten und verbreiteten die schön gewachsene Mispel und ihre Früchte, das geht aus den Schriften des Theophrastos, des Plinius d. Älteren und des Palladius hervor. Wahrscheinlich waren es auch bereits die Römer, die den Mispelbaum zu uns brachten.
Reiche Ernte schon im ersten Winter
Was die Mispel ebenfalls auszeichnet, ist ihre reizvolle Gestalt: Sie wächst eher breit als hoch, wird nicht allzu groß und bildet eine schöne runde Krone aus, was sie auch für kleine Gärten interessant macht. Das außergewöhnlich harte Holz wird von Kunsttischlern geschätzt, die daraus Intarsien machen. Die Oberseite der Blätter ist sattgrün und ledrig, die Unterseite silbrig-samtig behaart.
Im Mai oder Juni entwickelt die Mispel große, rosa-weiße Blüten mit bis zu sechs Zentimeter Durchmesser. Sie blüht reichhaltig – und das bereits in jugendlichem Alter. Das bedeutet zugleich, dass man nicht wie bei anderem Obstgehölz manches lange Jahr warten muss, bis man die erste Ernte einfahren kann. Man braucht nur den ersten Winter auf sich zukommen zu lassen. Das freilich mit entsprechender Geduld.
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