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Handwerk

Luitpold Scholl schmiedet das Eisen so lange es heiß ist

Der Eisenbändiger aus Bad Oberdorf formt dort, wo im Mittelalter einst Waffen und Werkzeuge geschmiedet wurden, Bratpfannen fürs Leben. Ein Besuch in seiner Hammerschmiede.

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Foto: Sebastian Gabriel
Muskulöse Arme, fester Blick, rote Wangen: Das ist Schmied Luitpold Scholl. Vor dem mehr als tausend Grad heißen Feuer schützt ihn sein Lederschurz.

Aus dem dunklen Eingang tönen gleichermaßen dumpfe wie metallene Schläge, dabei zittert die Erde bei jedem Stoß. Wir gehen durch eine niedrige Tür, Kühle umfängt uns, es riecht nach Kohle, nach Metall, nach Rauch. Uralte Holzbalken und rußgeschwärztes Mauerwerk grüßen. Mit jedem Schritt steigert sich der Lärm, bebt die Erde mehr – uns ist, als beträten wir das Reich eines schwergewichtigen Riesen, der einen ungestümen Tanz aufführt: Bum! Bum! Bum!

Aber da vorne im schräg einfallenden Licht sitzt kein Riese, sondern ein ganz normaler junger Mann mit strubbeligen Haaren und vollem Bart, nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf saust der mehr als doppelt so große Hammerkopf eines riesigen Schwanzhammers – „Bär“ genannt – auf den Amboss nieder: Bum! Bum! Bum!

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Wir wollen „Pass auf!“ rufen und „Nein, nicht!“, denn nun legt der Mann eine kreisrunde Stahlplatte auf den Amboss, aus ihr soll eine Pfanne entstehen. Keine halbe Sekunde später kracht der nimmermüde Hammer nach unten, und zwischen Fingern und hämmerndem Ungetüm liegt kaum eine Streichholzlänge. Doch Luitpold Scholl, so der Name des Unerschrockenen, ist die Ruhe selbst. Kein Wunder.

Schon seit Ende des 14. Jahrhunderts steht die Schmiede an ihrem Platz, mindestens.
Luitpold Scholl
Servus Mondpost
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Foto: Sebastian Gabriel
Seit über fünfhundert Jahren stehen hier tüchtige Schmiede an der Esse.

„Ich bin schon immer dabei gewesen“, erklärt der Endzwanziger, nachdem er endlich eine Art Hebel betätigt hat, was den Hammer augenblicklich stoppt – und im selben Moment endet das Beben des Bodens, das Zittern der Mühle. Fast unwirklich ruhig ist es mit einem Mal. Das Schmieden, sagt Luitpold, habe er von klein auf quasi nebenbei gelernt. „Mein Vater war Schmied, mein Großvater war Schmied.“ Letzterer war es auch, der die in Bad Hindelangs Ortsteil Bad Oberdorf gelegene Obere Hammerschmiede vor 75 Jahren gekauft hat, erzählt der Enkel. „Schon seit Ende des 14. Jahrhunderts steht die Schmiede an ihrem Platz, mindestens.

Das Wasser treibt alles an“, sagt Luitpold. Wir blicken auf ein Gewirr aus handbreiten Transmissionsriemen, es drehen sich große und kleine Räder, sie liefern die Energie für Schleifscheiben, Pressen, den Blasebalg und weitere Hämmer.

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Foto: Sebastian Gabriel
Am Arbeitsplatz von Luitpold Scholl braucht man allerhand Zangen, um das heiße Eisen aus der Esse zu holen und zu halten.

Mistkratzer statt Spießen

Besser gesagt: Die Energie liefert die Ostrach. Seit mehr als fünfhundert Jahren treibt der Fluss die Wasserräder der alten Hammerschmieden an, es sind vermutlich die ältesten Deutschlands. Schon im Mittelalter wurden hier Tausende von Spießen und Hellebarden geschmiedet – unter anderem für die Heere von Kaiser Maximilian (1459–1519).

In der Zwischenzeit hat sich Albert Scholl, der Vater von Luitpold, zu uns gesellt: „Zeitweilig war etwa jeder Dritte im Ort in einer der über ein Dutzend Schmieden beschäftigt.“ Sie lagen dicht beieinander am Triebwerkskanal der Ostrach, der wohl damals eigens für diesen Zweck geschaffen worden war. Heute sind noch drei davon in Betrieb.

„Die Schmieden waren in Dreißigstel-Anteile aufgeteilt, an jedem der vier Schwanzhämmer arbeitete ein anderer und stellte was anderes her“, erzählt Albert. Wir denken insgeheim: Was muss das für ein Getöse gewesen sein, wenn alle Hämmer gleichzeitig niedersausten, dazu wurde geschliffen, am Amboss geklopft, Eisen herangeschafft, gerufen und sicherlich auch das ein oder andere Mal geflucht.

Zeitweilig war etwa jeder Dritte im Ort in einer der über ein Dutzend Schmieden beschäftigt. Heute sind noch drei davon in Betrieb.
Albert Scholl, Schmied
Von der Platte zur Eisenpfanne

Denn ein Kinderspiel war die Arbeit der Eisenbändiger nie und ist es bis heute nicht: Im Winter kann es zehn oder auch fünfzehn Grad unter null haben, eine Bodenheizung gibt es nicht, der Boden ist nur gestampft. Daran hat sich, seit hier Hellebarden und Spieße geschmiedet wurden, nichts geändert. Waffen hat der sechzigjährige Albert, der bis vor zwei Jahren noch mitgearbeitet hat, keine mehr geschmiedet. Schon im 17. Jahrhundert hat man von Kriegs- auf Friedenswerkzeug umgestellt.

  • Neue Erzeugnisse waren zum Beispiel Krautbohrer, Mistkratzer, Kartoffelwender, Maurerkellen oder Spitzschaufeln, die wegen des steinigen Bodens hier sehr begehrt waren.

Je nachdem, welches Werkzeug damit hergestellt werden sollte, waren die Hammerköpfe gestaltet: der Breithammer für Spaten, ein Schlichthammer zum Umformen, ein Spannhammer, um das Material zu verdichten, der Streckhammer zur Herstellung von Pickeln beispielsweise.

Während die erstgenannten drei Hämmer kaum noch in Benutzung sind, tut der Streckhammer weiter fleißig seine Arbeit, gerade nimmt er sie erneut wieder auf, denn Luitpold betätigt wieder seinen Hebel. Damit öffnet er draußen vor dem Fenster die Schleuse, das Wasser der Ostrach ergießt sich aus dem Stauweiher in den Triebwerkskanal, wo ein Wasserrad es aufnimmt und so eine riesige Eichenholzwelle antreibt. Auf dem ein Meter dicken Holz sind Nocken befestigt, die das Ende des Hammerstiels periodisch hinunterdrücken und somit den Hammerkopf anheben.

Dann fallen 150 Kilo aus anderthalb Meter auf das Metallstück, das Luitpold aus einer gewalzten Eisenplatte geschnitten hat. Aus ihr soll nun eine Pfanne gebildet werden.

  • Sinn und Zweck des Kalthämmerns, das konnte uns Albert noch zurufen, ehe der Schwanzhammer seine polternde Arbeit wieder aufnahm, ist einzig und allein, die Spannung aus dem Metall zu klopfen – nebenbei entsteht das charakteristische Gittermuster.

Eisen im Feuer haben

Sobald Luitpold einige Dutzend Stahlplatten bearbeitet hat, geht’s an die Esse, wo eine spezielle Schmiedekohle für mehr als tausend Grad Temperatur sorgt. Die sind nötig, um das Eisen heiß schmieden zu können. Fast weiß glüht das Herz der Flamme, in die Luitpold einige Eisenstäbe legt, aus ihnen wird er die Pfannenstiele formen.

Mit einer uralten eisernen Zange holt der Schmied das Metall aus dem Ofen, um mit einigen geschickten Schlägen ein „Häkle“ zu formen, an dem man die Pfanne aufhängen kann. Von der Hitze sind jetzt auch Luitpolds Backen rot geworden, sie ähneln in ihrer Farbe dem sich langsam abkühlenden Eisen. Nun müssen die Stiele nur noch an den Pfannenboden geschweißt werden – die eigentliche Vertiefung erhalten die Bratpfannen einige hundert Meter weiter in der Unteren Hammerschmiede.

  • Jede Pfanne, sagt Luitpold, ist ein Unikat, keine gleicht der anderen.

„Und wenn man sie richtig behandelt, hält sie ein Leben lang.“ Vater Albert ergänzt zwinkernd: „Fürs scharfe Anbraten, speziell von reschen Bratkartoffeln, ist eine Eisenpfanne sowieso unschlagbar!“

Die schmiedeeiserne Pfanne mit 28 Zentimeter Durchmesser von Luitpold Scholl gibt es bei Servus am Marktplatz.

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