Wohnen, Hausbesuch, Esszimmer, Haus
Foto: Susi Biro

Hausbesuch im Mesnerhaus in Hofkirchen

Im oberösterreichischen Hofkirchen steht ein schmuckes Mesnerhaus. Einst lebten drei gottesfürchtige Schwestern darin. Heute bringt die Familie Enzlmüller Leben ins alte Gemäuer.
Text: Susi Biró, Fotos: Harald Eisenberger

Strenges Kopftuch, immer am Werkeln und ein Leben lang unverheiratet: Im Ort hat man Klothilde, Anna und Auguste schlicht die „Mesnertanten“ genannt. Ob wegen ihrer Männerlosigkeit oder der Tat­sache, dass die drei Damen im alten Mesner­haus wohnten, ist nicht überliefert. Auguste hatte jedenfalls das mehr als 300 Jahre alte Gemäuer von kinderlosen Verwandten geerbt und war dort kurzerhand mit ihren beiden Schwestern eingezogen. Neben der barocken Kirche gab’s plötzlich ein „Dreimäderlhaus“.

„Das muss kurz nach dem Krieg gewesen sein. Jahrzehntelang haben die drei dann ein kleines dazugehöriges Sacherl mit ein paar Stück Vieh und Obstgärten bewirt­schaftet und sich mit Hingabe in der Kirche engagiert“, erinnert sich Elisabeth Enzl­müller, die heutige Hausherrin und eine Nichte der drei.

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Überall finden sich noch Schätze von den drei Tanten.

Ein einziger kleiner Herd genügte den Dorfdamen als Wärmequelle auf 300 Qua­dratmetern. „Erst in den letzten Lebensjah­ren haben sie sich einen Badeofen gegönnt und in der Rauchkuchl einmal pro Woche ein Bad genommen. Davor hat ihnen kaltes Wasser genügt“, fügt Elisabeths Mann Ger­hard hinzu.

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Ein Haus im Dämmerschlaf

Als dann Auguste 1998 als Letzte der drei starb, begann für das alte Haus mit seinen schönen Gewölben, den kleinen, ins dicke Gemäuer eingepassten Fenstern und den reich verzierten Holzdecken ein langer Däm­merschlaf. „Niemand hat sich drübergetraut, es zu restaurieren. Diverse Kräfte in Hof­kirchen haben sogar schon den Abbruch ins Auge gefasst, um einen Parkplatz zu errich­ten“, sagt Elisabeth Enzlmüller. „Aber das hätte uns das Herz gebrochen.“

Elisabeths Elternhaus steht schließlich gleich vis­à­vis, bereits als Kind hat sie das Mesnerhaus gern gehabt. Und ihrem Mann Gerhard gefiel es auch sofort. „Es muss 1976 gewesen sein, als die Elisabeth mich das erste Mal ihren Tanten vorgestellt hat, und da hab ich mich damals schon in dieses Haus verliebt“, erinnert er sich.

Und so wagten sich die Enzlmüllers schließlich doch drüber und erwarben das Kleinod im wahrsten Sinn des Wortes fünf Minuten vor zwölf. Schließlich war es bereits zehn Jahre leer gestanden. Der Zustand war erschreckend, auch weil ein Brand 1902 der Statik Böses angetan hatte. „In den Mauern klafften große Risse, das Gewölbe im Stüberl hatte sich um etwa 30 Zentimeter abgesenkt, die Kreuzgewölbe in den Gängen waren desolat und, und, und. Jeder andere hätte einfach die Finger davon gelassen“, sagt Elisabeth.

„Erst in den letzten Lebensjahren haben sich die Schwestern einen Badeofen gegönnt. Davor hat ihnen kaltes Wasser genügt.“

Die ganze Familie hat mitangepackt 

Da traf es sich gut, dass Sohn David das Haus nicht nur ebenso gern mochte wie seine Eltern, sondern auch noch ein junger Architekt mit vielen Ideen ist und das handwerkliche Geschick der beiden geerbt hat. Mit ihm sowie der tatkräftigen Unterstützung auch ihrer anderen Kinder Alexandra und Martina, ihrem Schwiegersohn Stefan und überhaupt der gesamten Verwandtschaft machten sich die Enzlmüllers also ans Restaurieren.

Der schönen alten Holzdecke in der Küche, die gleichzeitig auch als Stube dient, verhalf man als Erstes zu neuem Glanz. „Wir haben in 400 Arbeitsstunden mit kleinen Handschleifmaschinen Ruß und Schmutz von Jahrhunderten entfernt, haben sie mit Essig und Seifenlauge behandelt und wieder eingelassen“, erzählt Gerhard. Beim Holzboden waren noch gröbere Schritte nötig. Er war mit Linoleum überklebt und längst abgestorben. 60 Zentimeter und mehr mussten die Bauleute abgraben, dann wieder aufschütten und mit neuen Böden bedecken.

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Foto: Susi Biro
Knorrige alte Treppen führen in das Obergeschoß des Mesnerhauses.

Apropos Bauleute: „Da haben wir durchgehend Glück gehabt. Wir haben zwar viel selbst gemacht, aber ohne Experten, die ebenfalls mit Herzblut bei der Sache sind, geht es nicht“, sagt David.

Sie halfen auch mit ihren Kontakten. So kannte der Tischler einen Spengler, der Spengler einen Schlosser und der wiederum eine Fensterfirma, die mit viel Liebe 24 Doppelfenster baute. Jedes als Maßanfertigung, weil die Außenmauern sich über die Jahrhunderte so verzogen hatten, dass hier „von der Stange“ gar nichts mehr ging. Alte Scharniere wurden besorgt und teilweise das noch brauchbare Glas wieder verwendet. Die grüne Spritzputz-Fassade mit den neuen alten Fenstern ist heute ein wahrer Blickfang.

Dreieinhalb Jahre wurde jedes Wochenende gearbeitet. Und es hat sich gelohnt.

Klare, übersichtliche Räume

Elisabeth und Gerhard teilen die Liebe zum Puristischen mit David, der sich mit vielen Ideen eingebracht hat. Kein Raum wirkt angeräumt, die Gewölbe, die alten Decken und die kleinen Nischen in den Mauern dürfen wirken. Im Bad und in der Küche wurde ein spezieller Kalkputz verwendet, der wasserabweisend ist und farblich genau zum Stein und den einfachen Möbeln passt. In der Diele wiederum wurde Stein verlegt, den Gerhard bei einem Altwarenhändler aufgetrieben hatte. Und Philipp, ein Bekannter, der eine Restauratorenausbildung hat, gab wertvolle Tipps, wie man Dinge wie den Tabernakelschrank oder die alten Türen zur Speis und die Beschläge wieder herrichten kann.

Baulich wurde gar nichts verändert. Keine Wand wurde umgerissen, keine aufgestellt. „Wir haben den Bestand erhalten und nur ausgebessert und wieder hergestellt und wurden dabei vom Bundesdenkmalamt unterstützt“, sagt Elisabeth.

Auch alte Schuhe machen Freude

Die ehemalige Krankenschwester spielte bei der Innengestaltung eine tragende Rolle. Aber nicht nur sie allein. Das gemütliche Sofa in der Wohnküche etwa ist ein Geschenk von Freundin Hansi. Die Pendeluhr im oberen Gang brachte Bruder Josef mit. Und die alten Schuhe in der Diele stammen von Frau Lepschi, die sie einst zum Skifahren und Rodeln angezogen hat. „Eines Tages stand sie vor der Tür und hat sie mir geschenkt“, erinnert sich Elisabeth. Weil sie ihr Vater, ein Schuster, gefertigt hatte, war die Freude darüber klarerweise groß.

Familie Enzlmüller bringt Leben ins alte Gemäuer.

Es ist rundum gemütlich geworden im alten Mesnerhaus. Aus den Schlafzimmern der gottesfürchtigen Schwestern Klothilde, Anna und Auguste wurden Gästezimmer für die Kinder und Enkerl – sie alle und jeder, der herkommt, fühlen sich wohl. „Nur mich gruselt’s manchmal“, sagt David und erzählt: „Wenn ich allein im Haus bin, glaub ich manchmal, die Tanten sind noch hier. Vor ihnen hatte ich schon als kleines Kind ein bisserl Angst.“ Wobei als gegeben angenommen werden darf: Wenn’s wirklich so ist, dann geistern die „Mesnertanten“ höchstens als gute Hausgeister in Hofkirchen.

Dieser Hausbesuch erschien in Servus in Stadt & Land im Oktober 2013.

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