Vorspeise

Hendlsuppe mit Bröselknödel

Was alles drin war in der besten Suppe von Christoph Wagners Omi Anna, war nicht so wichtig. Was viel mehr zählte: Sie schmeckte fantastisch – vor allem ihren Enkeln.

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Foto: Ingo Eisenhut
 

Mittagszeit hieß bei Omi Anna, die in meiner Erinnerung keinen Vornamen hatte, Punkt zwölf Uhr, da stand das Essen schon auf dem Tisch. Wenn sie die ganze Familie sonntags in ihr Haus nach Perchtoldsdorf bestellte, war das Ankommen jedes Mal ein Déjà-vu: Es duftete nach frisch Gekochtem, Omi in der kleinen Küche, Opa schaute im Wohnzimmer „Pressestunde“ – Stören verboten.

Mehr Hauptspeise als Vorspeise

Ich kann mich nicht an viele Gerichte erinnern, die meine Oma kochte, am ehesten noch an die, die ich nicht so gut fand. Aber es gab eines, das ich, auch viele Jahre nachdem sie uns verlassen hatte, nicht vergessen konnte, so gut war es. Skurrilerweise war es eine Suppe. Skurril deswegen, weil ich nicht gerne Suppen esse. Die Suppe meiner Omi war ein dickes, sämiges, herzhaftes Ding, mit ordentlich was drin.

Sie war mehr Hauptspeise als Vorspeise, und es kam nicht selten vor, dass wir Enkel so viel davon aßen, dass wir bei der echten Hauptspeise aufgeben mussten. Obwohl ich diese Suppe so liebte, wollte ich, warum auch immer, nie genau wissen, woraus sie gemacht wurde.

Bis zu diesem Text hatte ich keine Ahnung, dass es sich um eine Hühnersuppe mit Bröselknöderln handelte. Rekonstruieren ließ sich das auch nur, weil meine Familie nicht weiß, wer Ordnungsberaterin Marie Kondō ist.

„Wir schmeißen nicht gerne etwas weg“

Das gilt auch für alte Rezepte. Gut so. Weil wenn ich jetzt an diese Suppe denke, stoppeln sich kleine Erinnerungen wieder zusammen, wie eine Klammer, die in meinem Kopf alles zusammenhält. Ich erinnere mich an den Geruch des Plastikläufers, der durch das Wohnzimmer zur Terrassentür führte und den ich als Autobahn für meine Spielzeugautos verwendete.

Und ich sehe unseren ersten Hund vor mir, der, wenn das Essen auf den Tisch kam, seine Schnauze vom Garten aus so fest gegen die Scheibe drückte, dass die Nase schief stand. Ich weiß nicht genau, wann ich sie das letzte Mal gegessen habe, es könnte 15 Jahre her sein.

Ob sie jemand anderer aus meiner Familie noch kocht? Mein Cousin sicher nicht, der isst seit Jahren nichts mehr, was etwas mit Tieren zu tun hat. Mein Vater konzentriert sich auf das Grillen, meine Mutter kocht, glaube ich, selten für sich allein. Aber meine Schwester für ihre Kinder eventuell. Vielleicht müssen wir alle wieder zusammenkommen, und ich probiere, sie nachzukochen. Das Rezept gibt es ja.

Und wie man sieht, kann man die Suppe auch nett anrichten. Das war bei meiner Omi, die einfach einen großen Topf auf den Tisch stellte, nicht immer so. Wichtiger war sowieso, dass es schmeckte. Und da fällt mir wieder ein, dass es doch einen Namen für sie gab: Lieblingssuppe. So bestellten wir Enkel sie schon für das nächste Wochenende. Das klingt, finde ich, auch netter, als es im Kochbuch steht.

Dieses Rezept erschien in Servus in Stadt & Land im Februar 2024M in der Rubrik „Aus Omas Kochbuch“.

Zum Autor: Christoph Wagner, Jahrgang 1990, ist Chefredakteur des Kultur- und Gesellschaftsmagazins „Fleisch“ und kocht in erster Linie für seinen zweijährigen Sohn.

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Menge Gesamtzeit
6 Portionen 2 Stunden
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Zutaten
1 Suppenhendl mit Leber und Herz
Salz
2 Lorbeerblätter
0,5 TL schwarze Pfefferkörner
5 Pimentkörner
5 Wacholderbeeren
1 große Zwiebel
500 g Suppengemüse (Karotte, Gelbe Rübe, Petersilwurzel, Knollensellerie)
1 Stück(e) grüner Lauch (ca. 10 cm)
1 kleiner Bund Petersilie
Schnittlauch zum Bestreuen
Für die Bröselknödel
200 g Semmelbrösel
125 ml Milch
100 g weiche Butter
1 Eidotter
1 Ei
1 EL fein gehackte Petersilie
Salz
Muskatnuss
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Zubereitung
  1. Suppenhendl außen und innen kalt abwaschen. Innereien ebenso kalt abwaschen.

  2. In einen großen Topf 3 l kaltes Wasser gießen, 1 TL Salz zugeben und das Hendl einlegen. Erhitzen und Hendl 20 Minuten kochen, dabei den auftretenden Schaum sparsam abschöpfen.

  3. Gewürze zufügen und die Suppe bei mittlerer Hitze ½ Stunde köcheln.

  4. Inzwischen Zwiebel mit der Schale halbieren. Suppengemüse schälen und in grobe Stücke schneiden. Lauch sauber waschen und in dicke Scheiben schneiden.

  5. Gemüse und Petersilie in die Suppe geben und weitere 45 Minuten kochen.

  6. Inzwischen für die Knödel Brösel in Milch einweichen. Butter in einem Messbecher schaumig rühren, Dotter und Ei unterrühren. Mit Petersilie und Bröseln gut vermengen und abschmecken. Knödelmasse 30 Minuten ruhen lassen.

  7. Aus der Masse 18 Knöderl formen und in Salzwasser 8–10 Minuten unter dem Siedepunkt ziehen lassen.

  8. Gemüse und Hendl aus der Suppe nehmen und von Gewürzen befreien. Suppe durch ein feines Sieb in einen Topf passieren. Für das Gericht braucht man ca.1,5 l Hendlsuppe. Restliche Suppe einfach einfrieren.

  9. Dem abgekühlten Huhn die Haut abziehen, Fleisch mit den Fingern von den Knochen lösen und zerzupfen. Leber und Herz in kleine Würfel schneiden.

  10. Gemüse in die Suppe geben, pürieren und alles kurz verkochen.

  11. Hendlfleisch, Innereien und Bröselknödel in tiefe Teller verteilen. Mit Suppe übergießen und mit Schnittlauch bestreuen.

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