Beilage

Kriacherl Marmelade

Angelika Jakob erinnert sich an die wilden Früchte ihrer Kindheit im Münchner Umland, mit denen man nicht nur gut werfen kann – sie schmecken auch als Marmelade, die ihre Mama immer daraus gekocht hat, überraschend fein.

Marmelade, Kriacherl, rote Marmelade, Einmachgläser, Einkochen, Servus Rezept, Brot, Brett, Schöpfer
Foto: Ingo Eisenhut
Bei uns kommt nur Butter aufs Brot und eine gute Portion Kriacherl-Marmelade – so schmeckt's am besten.  

Alle anderen hatten Kirschbäume. Alle. Nur bei uns im Garten wuchsen Kriacherl, zwei Bäume trugen gelbe Früchte, einer rote. Die unreifen kugelrunden Boller warfen wir vom Garagendach aus auf andere Kinder. Das war sehr lustig, entschädigte uns aber nicht ausreichend dafür, dass die Dinger nicht schmeckten – im Gegensatz zu den süßen, saftigen Kirschen, die alle anderen hatten. Alle, wirklich alle.

Die Kriacherl dagegen: geschmacklos und fad, der Kern fest verhaftet im mehligen Fruchtfleisch, die Schale sauer. Reif waren sie ungefähr eine halbe Stunde, dann verwandelten sie sich in Matsch.

Welcher meiner bäuerlichen Vorfahren hatte meinen Eltern eingeflüstert, gleich drei dieser Bäume zu pflanzen? Die Kirschpflaume, also das Kriacherl, ist aus dem Balkan eingewandert, gedeiht an Waldrändern und in aufgegebenen Obstplantagen. Und in unserem Garten. Wenn die Früchte Ende Juni überreif auf dem Boden lagen, feierten die Wespen der ganzen Siedlung bei uns Party.

Kriacherl ernten überforderte uns komplett

Es waren einfach zu viele. Also hatten wir Kriacherlmatsch mit Wespen auf der Wiese, Kriacherlmatsch in der gepflasterten Einfahrt. Rollschuhfahren ging dort dann gar nicht mehr. Etliche Kilo schafften es aber doch in die Küche, auch hier verursachten sie eine Art Ausnahmezustand.

Meine Mutter kochte zwei oder drei Tage lang Marmelade und Kompott. Sie entsteinte endlose Mengen der Früchte, hantierte mit riesigen Töpfen und unzähligen Weckgläsern. Ein unwiderstehlicher Duft erfüllte das Haus. Wild und würzig, süß und säuerlich, einfach unbeschreiblich fein.

Jedes Jahr dieselbe Überraschung: Aus den ungeliebten Kriacherln zauberte meine Mutter die köstlichste Marmelade der Welt. Die Haut der Kirschpflaume steuerte Säure bei, das Fruchtfleisch überraschend viel Aroma. Mit Zucker wurde nicht gespart.

Kriacherlschaum auf Butterbrot

Am besten schmeckte der Schaum, der beim Einkochen entsteht und abgeschöpft wird – auf den haben wir in der Küchentür lauernd gewartet. Kriacherlschaum auf Butterbrot: herrlich. Der ganze Sommer, der noch kommen würde, steckte da drin.

Als ich längst ausgezogen war, ließ ich mir bei jedem Besuch zu Hause ein paar Gläser mitgeben. Ich war süchtig danach, was kaum jemand verstehen konnte. Irgendwann war Schluss. Mein Vater sägte die Bäume um, sie machten zu viel Arbeit. Leider gibt es Kriacherl nicht zu kaufen, außer manchmal in türkischen Supermärkten, leider nur grün und unreif. Dabei will ich ja gar nicht mehr mit ihnen werfen. Nur meine Kriacherlmarmelade hätte ich gerne wieder. Kirschen können da nicht mithalten.

Über die Autorin: Angelika Jakob arbeitet als Fotografin und freie Journalistin und kauft seit Jahren keine Marmelade mehr. Nur selbst gekochte Aufstriche kommen ihr aufs Brot. Legendär: ihre Orangenmarmelade.

Dieses Rezept erschien in Servus in Stadt & Land im Juli 2024 in der Rubrik „Aus Omas Kochbuch“.

Anzeige
Menge Gesamtzeit
5 Glas 250 ml 1 Stunde
Anzeige
Drucken
Zutaten
1 kg Früchte
50 g Zitronensaft
800 g Zucker
Anzeige
Anzeige
Zubereitung
  1. Die zerkleinerten und entsteinten Früchte mit Zitronensaft aufkochen. Unter ständigem Rühren um ein Viertel reduzieren. Dann Zucker zugeben und unter Rühren sprudelnd 5 Minuten kochen.

  2. Schaum abschöpfen und den Kindern geben. Marmelade in Schraubdeckelgläser füllen.

Drucken