Der Liebstattsonntag in Gmunden
Der Liebstatt-Sonntag in Gmunden ist ein ganz besonderer Tag. Mitten in der Fastenzeit verteilen die Einheimischen in schönster Tracht handverzierte Lebkuchenherzen. 2024 feiern die Gmundner den Liebstattsonntag am 10. März.
Heute macht das Schenken einfach nur Freude. Früher einmal wurde damit das Liebesglück besiegelt. Oder auch nicht.
Seit Jahrhunderten gehört der Liebstattsonntag - gefeiert am vierten Fastensonntag - zu den wichtigsten Tagen des Jahres in der Stadt am Traunsee; er ist schon lange Gmundens liebster Brauch. Im März 2014 wurde der Liebstattsonntag von der Österreichischen UNESCO-Kommission sogar in das Verzeichnis des nationalen immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Mehr als zehntausend Einheimische und Besucher tummeln sich dann auf den Plätzen und in den Gassen, feiern in der Früh die Bauernmesse und beschenken einander mit handverzierten Lebkuchenherzen. Seit Jahrzehnten wacht der „Trachtenverein Traunseer“ über die jährliche Liebstatt-Feier und darüber, dass aus dem vierten Fastensonntag eben kein Kirchtag wie jeder andere wird. Deshalb erforschen Vereinsobmann Franz Wolfsgruber und seine Frau Margarete unermüdlich die Geschichte dieses Tages, um zu belegen, dass seine Wurzeln tief reichen und fest sitzen.
Alles eine Frage des Glaubens
Wie viele Bräuche im österreichischen und süddeutschen Raum hat auch dieser seinen Ursprung in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Überliefert ist, dass der Passauer Bischof Leopold Wilhelm im Jahr 1641 die Neugründung der bereits früher existenten Fronleichnamsbruderschaft „Corporis Christi“ anregte, wohl auch „zur Hebung des katholischen Glaubens, der in den Stürmen der Reformation schwer gelitten hatte“, wie der Gmundner Stadthistoriker Ferdinand Krackowizer 1899 schrieb.
Am 19. Dezember 1641 bestätigte der Bischof diese Neugründung, und fortan traf sich die Bruderschaft alljährlich am vierten Fastensonntag zur Jahresversammlung, die auch „Liebsversammlung“ genannt wurde. Dabei wurde nicht nur viel Vereinsmeierei betrieben, es wurden auch „die Armen und Bresthaften, die Mühseligen und Beladenen“, wie es in späteren Quellen hieß, bewirtet und beschenkt.
Daran erinnern die Frauen des Trachtenvereins noch heute, wenn sie vor dem großen Tag paarweise das Landeskrankenhaus und die Altenheime in Gmunden besuchen und dort alle, inklusive Personal, mit einem Liebstatt-Herz beschenken. Aus dem christlich-karitativen Ritual ist im Lauf der Jahrhunderte ein Volksbrauch geworden, bei dem man einander „Liebe abstattet“.
Hoch ging es in Gmunden schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts her, wie der ausführlichen Berichterstattung des örtlichen „Wochenblattes“ 1856 zu entnehmen ist. „Eine ungewöhnliche Menge schön gekleideter Mädchen und schlanker hübscher Burschen“ versammelte sich in der Stadt. Da wurde taxiert und begutachtet, gemustert und gebalzt, da flossen Tränen des Glücks und des Liebesschmerzes.
Es war der Tag, „an welchem die niedere Volksklasse ihre Liebesverhältnisse beginnt, fortsetzt oder auflöset“.
Die Mädchen warteten darauf, von einem der jungen Männer zum Lebzelter geführt zu werden und – man muss es wohl so formulieren – mit Süßigkeiten und dem unentbehrlichen Met vollgestopft zu werden.
Wenn ein Geliebter sein Mädchen am Liebstattsonntag nicht zum Lebzelter führt, so ist das Liebesverhältnis ohne weiteres für gelöst anzusehen.
Helles Kichern in dunklen Gassen
„Je mehr der Liebhaber zu essen und zu trinken hergeben lässt, desto größer ist auch seine Liebe; oder desto mehr fordert er Liebe.“ Und dass der von den Lebzeltern ausgeschenkte Honigwein so manchen Hintergedanken eines Jünglings hat wahr werden lassen, kann man sich gut vorstellen. Historische Quellen berichten von hellem Kichern in den dunklen Gassen der Stadt. Umgekehrt galt jedoch auch ein anderer, bitterer Grundsatz: „Wenn ein Geliebter sein Mädchen am Liebstattsonntag nicht zum Lebzelter führt, so ist das Liebesverhältnis ohne weiteres für gelöst anzusehen.“
Gut zu wissen: Aus dem Liebstatt-Sonntag ist im Lauf des 20. Jahrhunderts ein Fest der Menschenliebe geworden; es geht um Achtung und Zuneigung, um symbolischen Dank und, vor allem auch, das behutsame, gleichwohl zeitgemäße Bewahren einer Tradition. Der „Trachtenverein Traunseer“ war maßgeblich daran beteiligt, den nach dem Zweiten Weltkrieg darniederliegenden Brauch wieder zu beleben.
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