Die Symbolik der Tiere
Sie sind treue Begleiter, enge Verbündete und uralte Seelengefährten. Mensch und Tier umgibt seit Beginn ihrer Geschichte ein inniges Band. Doch wie kam es dazu? Als Jäger folgte der Mensch schon in der Steinzeit den Tierherden, deren Fleisch sein Grundnahrungsmittel war. Mammute, Ochsen, Wollnashörner – sie boten unseren Ahnen Nahrung und Kleidung, ihre Knochen dienten als erste Werkzeuge. Der Mensch war abhängig vom Tier. Gleichzeitig stellten Tiere aber auch eine Bedrohung dar. Sie verlangten dem Menschen Respekt ab und übernahmen so auch die Rolle eines Lehrmeisters – sowohl in der Kunst des Jagens als auch im Überleben. Ihre Andersartigkeit, das Unverstandene daran,überstieg den menschlichen Verstand und mutete geheimnisvoll und überwältigend an. Tiere schienen Wesenszüge des Göttlichen in sich zu tragen.
Der Wolf: Bote der Dunkelheit
Charakterzüge: Kühnheit, Intelligenz, Jagdinstinkt, Hartherzigkeit, List, ungeselliges Außenseitertum, Streitlust, Ausdauer
Symbolische Bedeutung: finstere Seite des Unbewussten, Zentrum der Urängste, unbeherrschte Triebnatur
„Wolfsmonat“ bezeichnete man lange die Zeit vom 23. November bis zum 22. Dezember. Da verschlang der dämonische Wolf die lichtvollere Jahreszeit und verschleierte den Mond mit grauem Nebel. Wölfe galten zwar als gefährlich, man ehrte sie aber für ihre Tapferkeit und ihren Freiheitswillen.
Bis ins 16. Jahrhundert wurde im Wiener Stephansdom zur Christmette der „Wolfssegen“ erteilt. Denn im Winter soll man vor den Stadtmauern Wiens Wölfe auf Nahrungssuche heulen gehört haben. Der Wolf symbolisiert die Dunkelheit und das Böse. Im Mythos umgeben den Wolf stets ambivalente Züge. „Wölfe im Schafspelz“ heucheln Harmlosigkeit vor und gelten als heimtückisch.
Der Hirsch: Meister der Heilpflanzen
Charakterzüge: Schnelligkeit, Würde, Schönheit, Einzelgängertum, Stolz, Gutmütigkeit, Dankbarkeit, Sanftmut, Feingefühl
Symbolische Bedeutung: Wandlungskraft, Intuition, Bote höheren Bewusstseins, Potenz, Wachstum
Der Hirsch galt als Tier der Sonne. Weil sein Geweih mit dem Rhythmus der Sonne und der Pflanzen im Jahreskreis wächst, hat man ihn mit dem Wachstum der Pflanzen in Verbindung gebracht. Ähnlich wie Pflanzen wächst sein Geweih im Frühling schnell heran, und im Sommer, zur Erntezeit, erreicht es seine volle Größe.
Im europäischen Raum glaubte man, dass der Hirsch der beste Kenner von Heilpflanzen ist. Deswegen gibt es heute noch in manchen Städten eine Apotheke „Zum Hirschen“. Der einzelgängerische Hirsch symbolisiert Zurückgezogenheit und Weisheit, er verspricht aber auch Wohlstand und Glück.
Der Schwan: Wandler zwischen den Welten
Charakterzüge: Schönheit, Anmut, Melancholie, Ernst, Unnahbarkeit, Ahnungsvermögen, Verliebtheit, Streitbarkeit
Symbolische Bedeutung: Intuition, Inspiration, mangelnde Selbsteinschätzung, geringe Bodenhaftung, Sehnsucht nach Erneuerung
Schneeweißes Gefieder, roter Schnabel, schwarzer Höcker: Mit den Farben der dreifachen Muttergöttin war der Schwan für die Kelten und andere Waldvölker ein Wesen der Zwischenwelt. Nicht ganz auf der Erde, sondern mehr im Wasser und in der Luft.
Schwäne vermitteln an der Grenze von Diesseits und Jenseits. Ein Schwan soll sein nahendes Ende erahnen können. Daraus leitet sich der Ausspruch ab „Es schwant einem etwas“, wenn wir etwas vorausahnen. Schwäne strahlen Schönheit und Anmut aus. Sie vermitteln aber auch Einsamkeit, verlieren schnell die Contenance und gehen zum Angriff über.
Das Rind: Wohlstand und Glück
Charakterzüge: Stärke, Ausdauer, Fleiß, Friedfertigkeit, Gelassenheit, Treue, Unbeweglichkeit
Symbolische Bedeutung: Kraft innerer Ruhe, Passivität, Antriebslosigkeit, Engstirnigkeit
Die Kuh symbolisierte Fülle und Weiblichkeit und stand für Entstehung und Erhaltung des Lebens. Mit ihrer stoischen Ruhe, dem abgeklärten Gleichmut und der von Rindern ausgehenden Stallwärme boten die gutmütigen Wiederkäuer ein Bild der Geborgenheit.
Mit dem Stier verband man die Kraft der Schöpfung, Lebensenergie und männliche Zeugungskraft. Bis ins Mittelalter dienten Rinder regional als Währung. Der organisierte Raub von Rindern bedeutete eine Kriegserklärung und löste vielzählige Kleinfehden aus.
Der Hase: Erneuerung und Fülle
Charakterzüge: Schnelligkeit, Schlauheit, Friedfertigkeit, Wachsamkeit, Unruhe, Feigheit
Symbolische Bedeutung: spirituelle Wiedergeburt, Gefahren der Triebhaftigkeit, unvorhersehbare Verhaltensweisen
Der Hase galt als Symbol der Wandlungskraft. Als heiliges Tier des Frühlings vermittelt er die Erneuerung der Natur. Hasen zeugen das ganze Jahr über Nachwuchs. Ihr ausgeprägter Sexualtrieb charakterisiert auch den dämonischen Aspekt des Werdens: ungehemmtes Wachstum und raschen Wandel.
Im chinesischen Tierkreis gelten Hasengeborene als Glückskinder. Man spricht ihnen Heiterkeit, Gefühlsstärke und Einfühlsamkeit zu. In Fabeln ist das hakenschlagende Tier gewöhnlich ein schlauer Schelm, der Gegnern gegenüber Furchtsamkeit und Überlegenheit ausstrahlt.
Der Rabe: Dunkler Geselle
Charakterzüge: Streitlust, Widersprüchlichkeit, Geschwätzigkeit, Lug und Betrug, Klugheit, Verräterei, aber auch Liebesfähigkeit
Symbolische Bedeutung: Beginn und Ende von Verwirklichung, Gedankenflug, Wandel zum Besseren
Kolkraben dienten den Seeleuten in frühester Zeit als Wetterpropheten und Kompass. Im alten Rom galten sie als allwissende Götterboten. Allerdings verkündeten sie meist schlechte Nachrichten.
Rabe und Wolf begleiteten die Totengötter wie Schatten und konnten dabei zu Seelengeleitern werden. Als Aasfresser galten sie als genährt vom Grauen, und man zollte ihnen Respekt für ihre Nähe zum Tod.
In der keltischen Kultur hingegen stand der Rabe für Schutz, Weisheit, Heilung und Wandlung. Der schlaue Rabe kann übrigens auch sprechen – bis heute kennt man 250 verschiedene Lautäußerungen in seiner Rabensprache. Er gilt auch als listig, witzig, spaßig und gescheit.
Der Bär: Unendliche Mutterliebe
Charakterzüge: Kampfgeist, Schlauheit, Bequemlichkeit, Würde, Gutmütigkeit, Führungsstärke, Hilfsbereitschaft, Zurückgezogenheit
Symbolische Bedeutung: Innenschau und innerliche Gefestigtheit, Kraft der Urinstinkte
Bei den Waldvölkern galt er stets als Häuptling und König der Tiere. Dem Bären schrieb man Stärke und Intelligenz zu. Kurz vor seinem Winterschlaf, schwängert er die Bärin, die mit dem Erwachen im Frühling das neue Leben, die Bärenkinder, mit sich führt. Dies war Sinnbild für den ewigen Kreislauf der Natur.
Die Bärin war Symbol für Mutterliebe. Bärenmilch, so war man überzeugt, gäbe besonders viel Kraft. Die vielen Rollen des Bären – von der fürsorglichen Mutter über den mutigen Kämpfer bis zum brummigen Verwandten – vereinen sich im beliebten Teddybären.
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