Würziger Liebstöckl: Geschichte, Anbau und Ernte
Es war ein plumper Übersetzungsfehler, der dem Liebstöckl seinen delikaten Ruf eintrug. Dafür ist seine unverwechselbare Würze über jeden Zweifel erhaben.
Manches Mal kann sich auch ein ganz und gar unschuldiges Küchenkraut im Lauf der Jahrhunderte einen geradezu legendären Ruf erwerben. Dem Liebstöckl wurde dieses ruhmvolle Schicksal zuteil. Die Zuständigkeiten, die Volksglaube und Volksmedizin diesem stattlichen Doldenblütler mit dem stark aromatischen Duft verliehen haben, lassen sich gar nicht alle aufzählen: In der Steiermark etwa wird Liebstöckl zum Fronleichnamsumzug mitgenommen und geweiht, auf dass es als Schutzmittel gegen Unwetter wirke.
Ein Blütenstängel des Liebstöckls gehört im Rauriser Tal in Salzburg zu Mariä Himmelfahrt am 15. August in jeden „Weihbund“, der in der Kirche gesegnet wird, damit das geweihte Küchenkräuterl seine volle Kraft gegen jede Zauberei entfalte.
Gut zu wissen
Wenn ein Rezept als Zutat Stangensellerie verlangt und man keinen zur Hand hat, kann man stattdessen Liebstöcklblätter oder fein gehackte dünne Liebstöcklblattstiele verwenden.
Auch die Blattstiele wurden früher als Gemüse gegessen. Es ist einen Versuch wert, das zu probieren.
Den Beinamen Maggikraut trägt das Liebstöckl erst seit dem späten 19. Jahrhundert. 1886 kam die „Maggi“ genannte Gewürzsauce erstmals auf den Markt. Diese selbst enthält übrigens kein Liebstöckl.
Liebstöcklblätter kann man nicht nur frisch, sondern auch getrocknet und gerebelt als Gewürzkraut verwenden.
Kulinarischer Einsatz
Fein gehackt, geben sie Aufstrichen und Suppen, Eintöpfen und Salaten, Kräuterbutter oder Fleischsaucen ein spezielles Curry-Aroma. Nicht umsonst trägt das uralte Bauerngartenkraut, dessen ursprüngliche Heimat im heutigen Iran liegen dürfte, auch den modernen Beinamen Maggikraut. Besonders gut verträgt sich Liebstöckl mit Pilzen, mit den Samen lässt sich Brot würzen.
Echte Liebstöcklfreunde essen die jungen Blätter als Blattgemüse.
Auch zur Aromatisierung von sauer Eingelegtem, Likören und Magenschnäpsen beziehungsweise bei der Herstellung eines geschmacksintensiven Kräuteressigs hat Liebstöckl eine lange Tradition.
Zwischen Glaube und Wahrheit
In vielen Gegenden galt Liebstöckl, büschelweise ausgelegt oder in die Fußsohlen eingerieben, als sicherer Schutz gegen Schlangenbisse. Man trank warme Milch durch seine hohlen, röhrenförmigen Stängel und räucherte das Haus damit, um Halskrankheiten und Hustenreiz zu lindern.
Man hängte es sich um den Hals, damit es beim Abnehmen helfe, träufelte den Saft des gequetschten Krauts auf Wunden und Geschwüre. Man mischte es dem Vieh unters Futter, wenn es nicht genug Milch gab, und kurierte damit Pferde, die unter Rheuma litten.
Frauen kauten seine Samen gegen Menstruationsbeschwerden. Aber auch gegen Verdauungsprobleme und Magenbeschwerden tat und tut es seine Wirkung.
Der wichtigste Effekt aber, der dem Liebstöckl nachgesagt wird, basiert auf einem sprachlichen Missverständnis. Aus dem ersten Teil seines lateinischen Namens Levisticum officinale zimmerte man sich im Deutschen die unwissenschaftliche Übersetzung Liebstöckl zusammen. So kam das Würzkraut, das etymologisch weder mit der Liebe noch mit einem Stock zu tun hat, zu seinem Ruf als Aphrodisiakum.
Schon in der Antike glaubte man, es könne die Potenz und die Lust steigern. Darum heißt es auch in Kärnten Luststöckl oder in Salzburg Luststecken. Vielerorts trugen es Mädchen, die auf Glück in der Liebe aus waren, ebenso bei sich wie Bräute, die sich ehelichen Frieden erhofften.
Egal ob Wurzel, Stängel, Blattwerk, Blüten oder Samen – in der Liebe erfüllte Liebstöckl seine vom Volksglauben auferlegten Aufgaben. Die Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen, und in der Kulinarik liegt seine Bestimmung: Die jungen hellgrünen, gefiederten Blätter der mehrjährigen Pflanze, die im Kräuterbeet bis zu zwei Meter hoch wird und einen Quadratmeter Platz für sich beanspruchen kann, kommen als Würzkraut zum Einsatz.
Liebstöckl – (Levisticum officinale)
Volksname: Maggikraut
Familie: Doldenblütler (Apiaceae)
Blütezeit: Die großen blassgelben Scheibenblüten des Liebstöckls erscheinen von Juni bis Juli. Aus ihnen entstehen im Spätsommer die ebenfalls stark aromatischen Früchte, die wie Fenchelsamen aussehen.
Ernte: Von Mai bis Oktober erntet man vor allem die jungen, gefiederten Blätter, aber auch Blattstiele, Wurzeln und reife Samen.
Anbau und Pflege: Liebstöckl kann man aus Samen ziehen oder durch Wurzelstockteilung vermehren. Im Kräuterbeet lieben die Pflanzen nährstoffreiche Erde. Sie sollten von Unkraut frei gehalten werden.
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