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Zu Besuch beim Adlern: So lebt es sich auf dem Tiroler Biohof

Mit gerade einmal 19 Jahren hat Georg Jöchl gemeinsam mit seiner Frau Carmen den Hof seines Großonkels übernommen. Zehn Jahre später ist ihr Zuhause ein lebendiger Ort voller Tradition und Innovation.

Familie Jöchl
Foto: Philip Pürcher
Familie Jöchl und ihre drei Kinder.

Es riecht nach frischem Heu, und die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die Ritzen des Holzstalls. Georg Jöchl steht an der Melkmaschine. Seine Hände bewegen sich routiniert. Bauer wollte er schon immer werden, aber er hätte nie gedacht, dass er eines Nachts vor 10 Jahren so plötzlich zum neuen Hofherrn wird. In der Küche klappert Geschirr. Seine Frau Carmen bereitet gerade das Frühstück für ihre drei Kinder vor.

Der Biohof Adler befindet sich im idyllischen Bichlach. „Von hier oben haben wir einen wunderbaren Ausblick“, erklärt Georg. „Wir sehen das Kitzbüheler Horn, die untere Hälfte des Leukentals und hinter dem Haus den Wilden Kaiser.“ Umringt von Bergen leben auf 13 Hektar Eigenfläche und 5 Hektar Pachtfläche 50 Rinder, 5 Ziegen, 3 Schweine, 35 Hühner und Kleintiere wie Katzen.

Jeder hilft mit, sogar die Kinder. Dem ältesten Sohn Andrä gehören die Ziegen. Jeden Tag sieht man ihn mit einem Flechtkorb auf dem Rücken vom Haus den Berg hinuntergehen, um seine Tiere zu füttern. Sobald er das Gehege beritt, stürmen die Ziegen ungeduldig auf ihn zu. Da kann es schon mal passieren, dass sie sich auf die Hinterbeine stellen und Andrä als Stütze nutzen, um an die Köstlichkeiten auf seinem Rücken zu gelangen. Doch Andrä hat keine Angst – im Gegenteil, er lacht und genießt das Spiel mit seinen Tieren. „Die Abenteuerlust hat er eindeutig von seinem Vater geerbt,“ erklärt Carmen.

Vom Biohof Adler hat man einen malerischen Blick auf das Alpenpanorama.

Liebe auf den ersten Blick

Kennengelernt haben sich die beiden im Krankenhaus. Carmen war damals Krankenschwester und Georg besuchte seinen Großonkel. Da dieser keine direkten Nachkommen hatte, wurde Georg, der damals 19 Jahre alt war, nach seinem Tod als Nachfolger eingesetzt. „Der Hof ist damals aus der Erbreihenfolge gefallen, davor war er vier Generationen lang in derselben Familie meines Großonkels“, erklärt Georg.

Die Nachricht, dass er nun so jung der neue Hofeigentümer sei, kam für ihn überraschend. „Im Nachhinein war es schon viel Verantwortung auf einmal und doch etwas früh, aber dafür haben wir es gut hinbekommen.“ Damals erhielten die beiden viel Unterstützung von der Familie. Mit dem Generationswechsel stellten die beiden den Hof auf Bio um, was deutlich sichtbare Veränderungen auf den Hof brachte. Georg, ein gelernter Tischler, plante und baute den neuen Laufstall samt Wohnung und Käserei selbst.

Ein Schwein zu leasen

Für Carmen ist es heute wichtiger denn je, sich mit dem Betrieb breit aufzustellen und mehrere Standbeine zu haben, um krisenbeständig zu sein. So beliefert die Familie elf Schulen, drei Kindergärten und die umliegende Gastronomie mit hofeigenen Produkten aus der Molkerei. Jeden Dienstag ist Käsereitag auf dem Hof. Frische Milch wird gemolken, pasteurisiert und zu Käse, Topfen oder Fruchtmolke weiterverarbeitet. Am Mittwoch werden diese Produkte ausgeliefert – ein eingespielter Ablauf des Ehepaares.

Neu ist das Konzept eines Leasing-Schweins: Kunden können sich ein Schwein aussuchen, dieses wird dann mit Sorgfalt von Familie Jöchl aufgezogen und schließlich zum Metzger gebracht – und das Fleisch kommt an den Kunden. Diese Herangehensweise garantiert den Jöchls, dass das Fleisch mit Sicherheit verkauft ist und nichts übrig bleibt. Die Nachfrage für das nächste Jahr ist bereits hoch.

„Wir lernen jeden Tag etwas Neues. Wenn man sich etwas trauen möchte, dann soll man das jung machen“, erklärt Carmen mit einem Lächeln. Ihr ist es wichtig, den Betrieb laufend aktuell zu halten und stets offen für neue Ideen zu sein. Für spontane Einkäufe bietet der Selbstbedienungsladen auf dem Hof eine Vielzahl an Produkten: Eier, Milchprodukte wie Eiskaffee und Fleischmischpakete von Schweinen oder Biomilchkälbern – alles auf Vertrauensbasis.

Auf dem Hof gibt es vieles zu entdecken.

Spätaufsteher

Für Bauern sind die beiden laut eigener Aussage Spätaufsteher. „Meist läutet der Wecker so um halb sechs, sechs Uhr, dafür arbeiten wir aber auch länger“, erklärt Carmen. Die Aufgabenverteilung bei den beiden ist recht unkompliziert: Jeder kann alles. Georg geht oft in den Stall, melkt und füttert die Kühe, während Carmen sich um die Kinder kümmert, sie für die Schule und den Kindergarten vorbereitet und das Frühstück macht. Im Winter hilft Carmen im Stall mit. Der Haushalt ist ihr Bereich, die Käserei machen sie gemeinsam, und die Feldarbeit sowie das Traktorfahren übernimmt meist Georg. Es gibt immer etwas zu tun, sei es Aufräumen oder eine neue Wiese einzäunen.

Trotz des stressigen Alltags genießen sie die Flexibilität, die ihnen das Arbeiten von zu Hause bietet. „Einer der schönsten Momente ist es, die Kinder auf dem Hof aufwachsen zu sehen“, sagt Georg stolz. Dieses Jahr waren die beiden mit ihren Kindern sogar das erste Mal für drei Tage in Italien im Urlaub.

Dieser Artikel entstand im Zuge der Servus Sommerfrische in der Region St. Johann in Tirol.