Ein Bild von einem Haus im Burgenland
Spitzzicken? Geben Sie das einmal in Ihr Navi ein. Nichts. Auch Google Maps gibt sich verschwiegen. Dabei hat das kleine burgenländische Dorf hinter den sieben Bergen, knapp an der ungarischen Grenze, gar nichts Geheimnisvolles an sich. Es gibt ein mächtiges Lagerhaus, es gibt eine Durchzugsstraße, es gibt bunte Einfamilienhäuser, so, wie sie in den letzten 20 Jahren gern in Österreichs östlichstem Bundesland hingestellt wurden. Das einzig Märchenhafte befindet sich gleich am Ortseingang hinter einem leuchtend satten Streifen voller Lavendel: ein alter Hakenhof, der so ursprünglich dasteht, als hätte er schon 100 Jahre und mehr auf dem Buckel. Was irgendwie stimmt, irgendwie aber auch nicht.
Nasse Wände, ein Stall und ein Stadel
„Dieses Haus“, sagt Roswita Königswieser, „ist wie ein sich bewegendes Bild. Es hat sich dauernd verändert, ist dabei aber immer authentisch geblieben.“ Es war 1978, als die Wienerin auf der Suche nach einem Gartenhaus über den kleinen Hof stolperte. Anfang des 20. Jahrhunderts einmal abgebrannt und wieder aufgebaut, war er auch Jahrzehnte später nicht gerade das, was man sich unter einem idyllischen Zweitwohnsitz vorstellen darf. Der Wohnbereich bestand aus drei kleinen Räumen, die schweren 1950er-Jahre- Charme verströmten, unter dickem Linoleum kamen nasse Mauern zum Vorschein.
In L-Form direkt daran angebaut war ein kleiner Stall, in dem kurz davor noch ein Pferd, eine Kuh und ein paar Hühner Unterschlupf fanden. Daran wiederum schloss ein riesiger Holzstadel an, mit dem man wohnmäßig nicht viel anfangen konnte. Und in der Mitte des Hofes stand ein Plumpsklo. Dieses musste ziemlich bald einem Nussbaum weichen, der dort prächtig gedieh.
Die Damen fühlten sich wohl
Mithilfe von Freunden, den beiden Söhnen und der Tochter wurde zunächst einmal der Wohnbereich so adaptiert, dass man gemütliche Wochenenden und die Sommerferien dort verbringen konnte. Das gelang so gut, dass die beiden Schwestern des verstorbenen Vorbesitzers oft stundenlang im Innenhof saßen, dort einfach nur wie selbstverständlich anwesend waren, so lange sie lebten.
Ansonsten passierte baulich einmal lange Zeit nichts. Roswita Königswieser absolvierte in der Rekordzeit von vier Jahren ein Doppelstudium – Sozialwissenschaften/ Tiefenpsychologie und Kunstgeschichte –, baute in Wien eine Unternehmensberatungsfirma auf und zog ihre Kinder allein groß.
Man darf annehmen, dass Frau Königswieser großes Organisationstalent und Durchsetzungskraft besitzt. Nicht dass sie in ihrem burgenländischen Refugium der Einfachheit halber den alten Obstgarten schleifte, weil sie eh genug um die Ohren gehabt hätte. Nein, sie stand auch noch jedes Jahr mit hunderten Kilo Äpfel, Birnen und Zwetschken da, die sie allesamt zu Saft presste, einkochte oder einlegte. „Ich musste alles allein schaffen“, sagt Roswita Königswieser, „und ich wollte es auch!“
Das Geheimnis eines schönen Gartens
Das änderte sich erst, als sie Ende der 1980er- Jahre ihren zweiten Ehemann, den Salzburger Rechtsanwalt Reinhard Steger, traf. Neben allem anderen, was man für eine glückliche Zweisamkeit so braucht, teilten die beiden vor allem eine Leidenschaft: die Gartengestaltung. Und dafür war das kleine Anwesen im Burgenland die ideale Spielwiese.
Man kaufte hinterm Haus noch ein bisschen Ackerland und legte nach britischen Vorbildern ein prächtiges Pflanzenreich an. Richtige Räume unter freiem Himmel, für jede Lust und Laune einen eigenen Winkel und egal, wo man steht, immer mit einer spannenden Perspektive. „Das Geheimnis ist“, sagt Frau Königswieser, „dass man nie alles mit einem Blick erfassen kann.“
Alte Ziegel, Balken und Pflastersteine
Eines Tages sei man dagestanden, so die Hausherrin, und der Garten sei schöner als das Haus gewesen. Hier kommt jetzt Sohn Rupert ins Spiel, der beim ersten Umbau mit Muskelkraft beteiligt war, mittlerweile als Architekt auch das nötige Wissen einbringen konnte. Gemeinsam mit seinem Stiefvater plante er eine Renovierung, bei der unterm Dach Zimmer errichtet sowie der alte Stadel seiner Funktion als Rumpelkammer enthoben und als Wohnraum integriert wurde.
Das alles mit alten Materialien, die in ganz Österreich zusammengetragen wurden. So holte man sich zum Beispiel die Dachziegel, die in burgenländischer Tradition mit Fledermausgaupen verlegt wurden, von einem Schloss in Baden. Die Kaminhaube stammt von einem alten Bauernhaus aus der Gegend, im Stadel wurden alte Wiener Dachbodenziegel für die Wände benutzt.
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In dem riesigen neuen Raum wollte man eigentlich alle Schlafräume für die inzwischen auf sechs erwachsene Kinder plus acht Enkelkinder angewachsene Patchworkfamilie unterbringen. Eine komplette Wärmeisolierung wäre allerdings nahezu unerschwinglich gewesen. Also ist es heute ein Esswohnraum mit loftartiger Anmutung und einem gemütlichen Kaminplatz.
Eine Glasfront, die man im Sommer komplett aufmachen kann, öffnet den Blick in den Hof, der mit alten Wiener Pflastersteinen verlegt ist. Hier nicht mehr zu sehen: das einzige Umbau-Opfer, der alte Nussbaum, an dessen Stelle jetzt ein Kirschbaum wächst.
Wie ein Haftelmacher…
Dafür kamen plötzlich die alten Arkadenbögen zum Vorschein, die in grauer Vorzeit einmal rechteckig verschalt wurden. Bei deren Restaurierung stand übrigens Reinhard Steger wie ein Haftelmacher neben den Handwerkern, damit freihändig verputzt und nicht zu glatt verspachtelt wurde.
Im alten Wohnhaus wurde der Originaldachstuhl optisch ins Gesamtkonzept integriert. Hier entstanden drei Schlaf- und ein Kinderzimmer, ein Bad sowie ein Arbeitszimmer für Reinhard Steger.
Im Haus geht es einem übrigens so wie im Garten: Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Für das Interieur ist Roswita Königswieser zuständig, die seit ihrer Jugend passionierte Sammlerin alter Stücke ist. Eines erlesener als das andere, weil sie im Lauf der Jahre einen Blick dafür entwickelt hat, was etwas wert ist und was nicht. Alte Türen, Sessel, Lampen, Tische und Truhen hat sie zusammengetragen, ohne eine Bestimmung dafür zu wissen. Sie alle haben jetzt ihren Platz gefunden und fügen sich ins Ambiente, als wären sie genau dafür gemacht worden.
Wobei Roswita Königswieser geschmackvoll auch Neues daruntermischt. So steht in ihrem Schlafzimmer eine uralte, schlichte Truhe mit Holznägeln im Angesicht einer kleinen Kommode anno 2010 im Shabby Chic. Und weil einmal Sammlerin, immer Sammlerin, findet sie immer wieder etwas, das irgendwo dazupasst. Wie etwa für das kleine Wohnzimmer im Erdgeschoß einen alten Teppich in genau den gleichen Farben wie die antike Bauerntruhe, die ihr eine Freundin geschenkt hat.
Im selben Raum hängt auch ein Aquarell mit dem Haus ihrer Großmutter. Dort, im niederösterreichischen Gaweinstal, habe sie die glücklichste Zeit ihrer Kindheit verbracht, sagt Roswita Königswieser. Ein Bild in zarten Farben, wie sie sich durch den ganzen Hakenhof ziehen. Und mit einem Haus, das erstaunliche Parallelen zu dem zeigt, in dem wir gerade in Spitzzicken stehen. Obwohl oder gerade weil es sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert und bewegt hat und so schön langsam zum Lebensmittelpunkt einer Familie geworden ist.
Dieser Hausbesuch erschien in der August-Ausgabe des Servus Magazin 2011.
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