Maibaum aufstellen & stehlen: Alles rund um den Brauch
Vom Beschaffen übers Aufstellen und Bewachen bis hin zu den Bräuchen des Bekraxelns, Stehlens und Umschneidens gibt es fast so viele regionale Eigenheiten wie bunt geschmückte Maibäume. Eine kleine Rundschau.
Das Aufstellen des Maibaums ist hierzulande wohl einer der am weitesten verbreiteten Bräuche. Doch woher kommt diese Tradition? Warum machen wir uns überhaupt die Mühe?
Die Geschichte des Maibaums
„Der Ursprung liegt schon in der vorchristlichen Zeit“, erklärt die renommierte oberösterreichische Brauchtumsforscherin Elisabeth Schiffkorn. „Der Maibaum sollte eine Verbindung zum Göttlichen, zum Universum herstellen – ähnlich einem hohen Kirchturm. Nach dem Prinzip des Gebens und Nehmens wollen wir mit dem Aufstellen natürlich etwas in Gang setzen: Wir erwarten uns dafür Fruchtbarkeit, Glück und Segen von oben.“
Zu dieser Grundbedeutung, meint die Heimatforscherin, seien im Lauf der Jahrhunderte noch viele verschiedene Zusatzfunktionen gekommen, die sich ganz nach den Bedürfnissen der jeweiligen Ortschaften, Aufsteller oder der zu bestimmten Zeiten geltenden Gesellschaftsordnung richteten.
So war etwa Tanzen im Mittelalter nur zu bestimmten Zeiten außerhalb der Fastenzeit erlaubt – und als Zeichen für diese „Tanzfreiheit“ galten eingewurzelte, geschmückte Bäume.
In Wien hatten die Babenberger-Herzöge die Aufgabe, die Maifeiern für die Bevölkerung auszurichten. Diesem Umstand verdanken wir eine der ältesten schriftlichen Erwähnungen des Maibaums aus dem Jahre 1230. Damals beklagten die Untertanen von Herzog Leopold IV. dem Glorreichen wie folgt: „Wer singet uns nu vor / zu Wienn auf dem Chor […] Wer singet uns nu raien / wer zieret uns nu die maien?“
Im Dreißigjährigen Krieg Anfang des 17. Jahrhunderts bürgerte es sich ein, dass Soldaten am 1. Mai „Ehrenbäume“ für Offiziere und Fürsten errichteten. Dieses Zeichen der Anerkennung für Vorgesetzte erfreute sich bald so großer Beliebtheit, dass sich die Behörden gezwungen sahen, das „Maienschlagen und Maiensetzen“ zu verbieten, weil sie die Abholzung der Wälder befürchteten. Allerdings erwiesen sich die Verbote als weitgehend wirkungslos, zu stark war die Sogwirkung der Tradition.
Und so tauchen immer wieder Maibäume in unserer Geschichte auf – etwa als „Freiheitsbäume“ in der Revolution von 1848, als Liebesbeweise für Angebetete oder als Ehrenbäume für neue Pfarrer oder andere Honoratioren.
Im 19. Jahrhundert sollte dann der „Hexenbaum“ in der Walpurgisnacht böse Geister vertreiben. Sein Stamm musste glatt geschält sein, damit sich die Hexen nicht unter der Rinde festsetzten.
Später vereinnahmten die Nationalsozialisten das Brauchtum und propagierten Volksfeste rund um den Baum, was der Feier lange einen schalen Beigeschmack verlieh.
Erst in den 1970er-Jahren begann die Rückbesinnung auf das uralte Brauchtum. Heute bietet der Maibaum wieder vielerorts Gelegenheit für gesellige Dorffeste und amüsanten Wettstreit.
Tanz um den Maibaum: Was man über die Tradition wissen muss
1. Jeder Baum ein Kunstwerk
Als Maibäume dienen gerade gewachsene, immergrüne Nadelbäume, also möglichst hohe Tannen oder Fichten.
Nach dem Fällen und Entfernen der Äste entrinden die Männer den Stamm mit dem Schepseisen oder Schöpser. Der Wipfel bleibt stets unbearbeitet, denn ohne seine grüne Krone – auch Kratz’n, Gressing oder Grotz genannt – gilt der Baum als kraftlos.
In der Steiermark sind häufig Zierringe und um den Stamm gewundene Rindenbänder zu finden.
Den krönenden Abschluss des Baumes bilden grüne Kränze aus Reisig.
In Kärnten und Salzburg baumelten einst Wüste, Früchte, Brezel, Wein oder gar Säckchen mit Geld unter dem Wipfel – als Lockmittel für Maibaumkraxler.
Bunte Bänder, wie sie etwa Mädchen im oberösterreichischen Garstnertal beim „Fetzenreißen“ aus leintuchgroßen Stoffen gewinnen, sollen Wachstum symbolisieren.
Rund um den Stamm befestigte Wappen, Zunfttafeln und Trachtenpärchen stehen für das dörfliche Leben, Brauchtum und Handwerk.
2. Die Jugend stellt einen Baum auf
In den letzten Apriltagen, spätestens in der Nacht zum 1. Mai, stellt die Dorfjugend, unterstützt von anderen Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr, den Baum auf. In vielen Ortschaften ist das Maibaumsetzen mit Muskelkraft, Hebe- und Stützstangen immer noch Ehrensache.
Es ist jedes Mal ein Spektakel, wenn die Männer den geschmückten Baum mit Feuerhaken, Leitern und langen Stangen, Spoteln, Schwoabeln oder Schwabeln genannt, aufrichten. Dazu treten Plattler, Schnalzergruppen sowie Bandltänzer auf, die mit bunten Bändern tanzend den glatten Stamm umflechten.
3. Vom Passen und Stehlen
Ist der Baum zum Aufstellen bereit, bewacht ihn die Dorfjugend beim „Maibaumpassen“. Das wechselseitige Stehlen der Bäume ist ein uralter Wettstreit unter Gemeinden, bei dem es darum geht, das Glück ins eigene Dorf zu holen. Zusätzlich können die jungen Burschen dabei Kraft und Geschick beweisen. Zu beachten sind stets die lokalen Spielregeln:
Ist im Innviertel nur der liegende Baum in Gefahr, ist es im Mostviertel der stehende; in Ebensee am Traunsee darf der Baum erst nach dem „Aufkranzeln“ gestohlen werden, im Bezirk Urfahr nördlich von Linz wiederum sind Bäume tabu, auf die schon jemand geklettert ist.
Manchmal reicht es, den Baum um 45 Grad umzulegen, andernorts muss er eine Baumlänge weggetragen werden oder gar über die Gemeindegrenze.
In Wien kam es 2016 zu einem spektakulären Maibaum-Fall: Studenten sägten den Maibaum der Universität für Bodenkultur um und transportierten ihn zu ihrem Stammlokal in der Innenstadt – mit der Straßenbahn.
Das Stehlen eines Maibaumes ist übrigens – solange die regionalen Regeln befolgt werden – kein strafrechtlich verfolgbares Delikt, sondern gilt als Brauchtum.
4. Wenn der Diebstahl belohnt wird
Legt ein Ortsansässiger die Hand während des Stehlens auf den Baum, gelten die Diebe als erwischt und müssen den Baum sofort wieder aufstellen. Gelingt hingegen die Entführung, müssen die Bestohlenen den Baum auslösen – meist mit einer zünftigen Jause oder ein paar Fässern Bier. Dann bringen die Diebe den Maibaum zurück – im Idealfall unversehrt und neu geschmückt.
Im Mühl- und im Mostviertel werden Baumräuber aber nicht nur belohnt: Bei einer „Gerichtsverhandlung“ bekommen sie auch eine „Strafe“ aufgebrummt. Löst eine Ortschaft einen Baum nicht aus, zieht er als „Schandbaum“ Spott und üble Nachrede nach sich.
5. Wer kommt ganz nach oben?
Das Maibaumkraxeln ist eine beliebte Herausforderung, vor allem junge Burschen erklimmen den glatten Baum gern. Schon im 18. Jahrhundert veranstalteten Wirtshäuser im Frühling ähnliche Bewerbe. Lockten früher noch Preise und Leckerbissen an den Kränzen, geht es heute mehr um den sportlichen Ehrgeiz.
Versierte Maibaumkraxler erkennt man oft an den schwarzen Handflächen: Der glatt gehobelte Stamm der Bäume wird nämlich in einigen Tiroler und Kärntner Tälern mit Wachs oder Seife zusätzlich geschmiert, sodass die Kletterer zu Pech und Asche greifen müssen, um wenigstens ein bisschen Halt zu finden.
6. Alles hat ein Ende
Je nach Region bleibt der Maibaum bis Ende Mai, Pfingsten oder bis zum Kirtag stehen, mitunter auch bis in den Herbst. Einerseits, damit seine Kraft in Sachen Fruchtbarkeit bis zur Ernte auf die Äcker strahlt, zum anderen als Relikt aus dem frühen Mittelalter, als der Maibaum weithin sichtbar auf das Betretungsverbot von Feldern und Wiesen hinwies, um das Wachstum nicht zu stören.
In Teilen Oberösterreichs und der Steiermark muss der Baum auch die letzten drei Nächte vor dem Umschneiden vor Dieben bewacht werden. Übersteht er diese heikle Zeit, bringt ihn schließlich eine Zugsäge zu Fall, oft zu den Klängen des Holzhacker-Marsches.
Die Kärntner verarbeiten das gut durchgetrocknete Holz im Anschluss gern zu Leitern.
Im Südburgenland wiederum ist es üblich, dass sich die Anwesenden eine glückbringende Scheibe vom Maibaum absägen.
Manche Vorarlberger Vereine versteigern die Maibäume beim Frühschoppen „amerikanisch“: Jeder, der ein Gebot abgibt, zahlt nur den Differenzbetrag zum vorherigen Gebot – den hohen Geldbetrag, der bei dieser Aktion zusammenkommt, spendet die Gemeinde für einen guten Zweck.
7. Im Mai blüht die Liebe
Im Burgenland und anderen Gegenden spielten bis in die 1970er-Jahre die „Mädchen-Bäume“ oder „Liebesmaien“ eine große Rolle: Burschen holten Birken oder Fichten aus dem Wald, schmückten sie mit Kreppbändern und stellten sie der Angebeteten vors Fenster. Heute sind solche Liebesbeweise kaum mehr zu finden, ein anderer Brauch hat sich hingegen gehalten: der Maistrich, Maisteig oder Maigang.
In Ober- und Niederösterreich, etwa im Wein- und Waldviertel, finden sich am Morgen des 1. Mai Linien aus weißer Kalkfarbe auf der Straße – ein alter Brauch, um heimliche Liebschaften zu enthüllen. Neugierige müssen den Strichen nur von einem Haus zum anderen folgen. Kommt der oder die Liebste aus einer anderen Ortschaft, ziehen sich die weißen Liebesspuren mitunter auch kreuz und quer durchs Land.
8. Herausragende Bäume
Einen atemberaubenden Blick auf Hallein und das Berchtesgadener Land haben die Besucher des „Barmstoana“-Maibaums: Anstelle eines Gipfelkreuzes prangt ganz oben auf dem Kleinen Barmstein (838 m) traditionell ein Maibaum. Der erste schriftliche Beleg für diesen Brauch stammt aus dem Jahr 1889.
Den größten Maibaum Tirols versucht alljährlich die Jugend von Jochberg aufzustellen: Im Jahr 2015 ragte der Baum mit einer Höhe von 44 Metern weit über den Kirchturm hinaus.
Im steirischen Ennstal gehören Hansl- und Gretl-Figuren fix zur Dekoration der entrindeten Fichte. Die beiden Stoffpuppen symbolisieren Kinder, die auf den Baum klettern, und waren einst eine begehrte Trophäe für erfolgreiche Baumkraxler. Heute bleiben sie als Zierde hängen.
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