Pflanzenporträt Maroni
Im Oktober werden die Früchte der Edelkastanie geerntet. Und die glänzend braunen Maroni haben es ebenso in sich, wie der Baum, von dem sie stammen.
Wer für einen anderen „die Kastanien aus dem Feuer holt“, der erledigt an dessen Stelle eine heikle und unangenehme Sache. Bei der er sich noch dazu die Finger verbrennen kann, so wie die Katze in La Fontaines berühmter Fabel, die vom schlauen Affen zu einem Kastaniendiebstahl aus dem Glutofen überredet wird. Die Redensart, die aus dieser Geschichte entstand, taucht auch in „Faust II“ auf, in der Johann Wolfgang von Goethe seinen Helden zu Mephistopheles sagen lässt: „Behandelst mich, dass ich, wie jene Katze, dir die Kastanien aus den Gluten kratze.“
Die Kastanien, die da aus dem Feuer geholt werden, sind natürlich Maroni, die Früchte der europäischen Edelkastanie Castanea sativa. Bevor man sie in der Glut röstet, muss man sie aber erst einmal ernten – und das passiert vor allem jetzt im Oktober.
Wie Eiche und Buche zählt auch die Edelkastanie zur Familie der Buchengewächse. Der licht- und wärmeliebende Baum gedeiht bevorzugt auf sauren Böden und vor allem dort gut, wo es auch Weinbau gibt. Daher findet man Edelkastanienbäume bei uns in Niederösterreich, besonders aber in der Südsteiermark und im südlichen Burgenland rund um Mattersburg und Oberpullendorf. Hier nennt man die Maroni auch „Kestn“ oder „Kästn“.
Mehrere hundert Jahre alt und über dreißig Meter hoch kann so ein Edelkastanienbaum werden; seine glänzend grünen, länglichen Blätter haben auffallend gezahnte Ränder.
Die Früchte sind von einer stacheligen Hülle umgeben, die zur Reifezeit aufplatzt und den Blick auf zwei bis drei glänzend braune Maroni in ihrem Inneren freigibt. Ihrer Farbe verdanken die Früchte auch ihren Namen: Er stammt vom französischen Wort marron für braun ab.
Wunderwuzzi unter den Kulturbäumen
Die Heimat der Edel- oder Esskastanie, die die einzige europäische Vertreterin der Gattung Kastanie ist, liegt sehr wahrscheinlich im östlichen Mittelmeerraum. Von hier aus trat sie ihren Siegeszug gen Westen an und spielte bis ins 19. Jahrhundert in manchen südlichen Gefilden die Rolle des wichtigsten bäuerlichen Brotbaums.
Das darf nicht überraschen: Die Edelkastanie ist so etwas wie ein Wunderwuzzi unter den Kulturbäumen.
Mit ihrem rötlichen Holz liefert sie Möbelholz, Brennmaterial und die zum Weinbau nötigen Rebpfähle.
Aus den Blüten wird herrlich bernsteinfarbener Honig erzeugt, und ihre Blätter werden an Schweine verfüttert.
Außerdem nimmt man sie zum Färben von Stoffen.
In der Volksmedizin kommen sie getrocknet als wirksames Mittel gegen Bronchitis und Keuchhusten zum Einsatz.
Gut fürs Gehirn und die Nerven
Und dann sind da natürlich noch die Früchte. Sie enthalten weniger Fett und Eiweiß als andere Nüsse, dafür aber jede Menge Stärke, und sind reich an Mineralstoffen, Spurenelementen sowie an Vitamin B und E.
Ebenfalls gewaltig ist ihr Nährwert: 100 Gramm kommen auf 170 Kalorien.
Maroni wirken nervenberuhigend und ausgleichend, sie bringen einen übersäuerten Organismus wieder ins Gleichgewicht. Bereits Hildegard von Bingen schrieb: "Und wenn das Gehirn durch Trockenheit leer ist und daher im Kopf schwach wird, koche die Früchte in Wasser. Er soll sie oft nehmen ... und sein Gehirn wächst und wird wieder gefüllt und seine Nerven werden stark."
Auch all jene, die unter einer – immer häufiger auftretenden – Getreideunverträglichkeit leiden, freuen sich auf die Maroni. Da sie glutenfrei sind, dienen sie als idealer Getreideersatz.
Kulinarisch schätzt man ihre Vielseitigkeit. Man kann Likör daraus machen, sie zu Mehl mahlen oder glacieren. Maronicreme und Mus, Polenta oder Pasta daraus zubereiten oder sie als Beilage zu allen möglichen Gerichten reichen.
Nur eines ist wichtig, bevor sie weiterverarbeitet werden: Man muss sie zuerst mit einem scharfen Messer an der runden Seite einschneiden, rösten und schälen. So werden sie im Winter auch vom Maronibrater verkauft. Mit dem nützlichen Nebeneffekt, dass man sich an ihnen die kalten Hände wärmen kann. Oder verbrennen ...
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