Hausbesuch in einem alten Schmuckstück im Montafon
Luagand mi a!“ – „Schaut mich an!“, scheint das „Manga-Hüsli“ den Vorübergehenden zuzurufen. Als wahres Juwel steht das einstige Bauernhaus am Weg von Vandans in die Berge und zieht die Blicke auf sich. Hinter der geordneten Wildnis des Vorgartens mit Malven, Hortensien und Rosen wetteifert pechschwarzes Holz mit dem weiß gekalkten Mittelteil. Ein Fresko mit der von Engeln flankierten Muttergottes prangt über dem Eingang, aus dem gerade ein weltgewandter Herr tritt.
Reiner Cofalka weiß um den Zauber, der von diesem Haus ausgeht. Er selbst ist ihm mit seiner Frau Helga vor zwanzig Jahren erlegen. Das Paar ersteigerte das Kleinod, ohne es vorher je betreten zu haben. „Es traf uns wie ein Blitz, als wir es sahen“, sagt der seit kurzem pensionierte Artdirector. „Wir wollten das Haus besitzen.“
Helga und Reiner Cofalka erkannten sofort die Schönheit in dem damals noch desolaten Gebäude. Fünf Jahre dauerten die Restaurierungsarbeiten. „Das ist ein Weg, den man als Paar nur gemeinsam gehen kann“, erklärt Reiner.
Mit viel Feingefühl gaben die Eheleute dem aus dem Barock stammenden Haus seinen ursprünglichen Glanz zurück. „Wir wollten die alte Struktur erhalten“, erklären Helga und Reiner. Also forschten sie in Volkskundemuseen nach, holten Rat bei Experten ein und suchten im ganzen Alpenraum nach originalen Beschlägen, handgeschmiedeten Nägeln und Vollholztüren.
Zeugnis zweier Kulturen
Heute bezaubert das Manga-Hüsli wieder in seiner ganzen Pracht. Als eines von wenigen Montafonerhäusern ist es bis ins Detail wiederhergestellt worden und gibt ein lebendiges Zeugnis jener Kulturen, die das Tal und seine Geschichte geprägt haben: die der Walser und jene der Rätoromanen.
Der Herr des Hauses streicht über die in Kopfstrickweise verwobenen pechschwarzen Balken. „Die sind typisch für die Walser“, sagt er. „Das Holz wurde gebürstet und mit Ölen auf Zitrusbasis behandelt. Die ganze Gegend hat danach gerochen“, erinnert sich Reiner und lacht. Der gemauerte Mittelteil mit dem Fresko und den kobaltblau gemalten Schlusssteinen zeigt hingegen die Bauweise wohlhabender Rätoromanen.
Beide Schweizer Volksgruppen kamen vor Jahrhunderten über die angrenzenden Gebirge ins Tal und blieben. So auch Helga und Reiner. „Uns hätte schon eine Vorsäßhütte genügt“, sagt Reiner. Auf der Suche nach einem passenden Fleckchen entdeckte das Paar dann aber das Manga-Hüsli. Woher der Name stammt, weiß niemand so genau. Vielleicht leitet er sich vom Nachnamen „Mangeng“ ab. Klarer ist, was es mit dem geschnitzten Heiland an der Hausfassade auf sich hat, der von Maria und Maria Magdalena flankiert wird. „Wenn die Bauern mit ihrem Vieh auf die Almen gezogen sind, haben sie hier gebetet“, erklärt Helga.
Eine Bitte um Segen ist auch unter den Giebeln über dem Eingang und auf der Rückseite des Hauses zu lesen. Das beim Kauf des Hüslis bereits verblasste Bibelzitat und die Verzierungen der Fassade restaurierte der Grafiker selbst. Auch in der Stube legte er Hand an.
„Ofabänkle“ mit kirchlichen Wurzeln
Wer über die ausgetretene Schwelle ins Haus tritt, dem fällt sofort das winzige Fenster zur Küche auf. „Da konnte die Hausfrau beim Kochen sehen, wer hereinkam“, erklärt Reiner. Dass er sich nicht nur mit der Architektur beschäftigt hat, sondern auch leidenschaftlich Antiquitäten sammelt, verrät unter anderem der Bregenzerwälder Hochzeitsschrank gegenüber der Küche: „Den habe ich als 17-Jähriger gekauft – in einem Alter, in dem sich andere ein Moped zulegen.“
Von der Diele aus führt der Weg rund um den hellen, mit rostroten Tüpfelchen übersäten Kachelofen. Das Paar ließ ihn als Herzstück des Hauses mit seinen für das Tal charakteristischen Kacheln originalgetreu nachbauen. Er wärmt Küche, Stube und den „Gada“ – das ehemalige Elternschlafgemach und heutige Esszimmer.
Wenn sich Helga und Reiner nach einer Berg- oder Skitour auf dem „Ofabänkle“ ausruhen, dann machen sie es sich auf einer alten Kirchenbank bequem. Zwei weitere stehen auch um den schönen Montafonertisch herum. Der Wandkasten und die Täferdecke haben ebenfalls eine kirchliche Vergangenheit. Sie stammen aus dem ehemaligen Vandanser Frühmesserhaus, das in den 1960er-Jahren abgerissen wurde.
Ist es nur Zufall, dass sie nach Jahrzehnten in der Nachbarschaft ein neues Zuhause gefunden haben? Reiner glaubt nicht an Zufälle – eher daran, dass zusammenfindet, was zusammen sein soll. Der leidenschaftliche Sammler zeigt auf das gemalte Mittelstück, das die getäfelte Stubendecke ziert. „Jahrelang ist es auf dem Dachboden eines befreundeten Bauern gelegen“, sagt Reiner. „Als er hörte, dass wir das Manga-Hüsli restaurieren, hat er uns das Gemälde geschenkt. Als ob es für unser Haus geschaffen worden wäre, stand sogar der Name ‚Maria Viktoria Mangengin‘ darauf. Wenn unser Freund uns heute besuchen kommt, raucht er gemütlich sein Pfeifchen und schaut dabei zufrieden zu ‚seinem‘ Bild hinauf.“
Auch im Esszimmer gibt es zu jedem Liebhaberstück eine spannende Geschichte zu erzählen. Auf dem Ofensims etwa hütet der Hausherr einen Schatz aus seiner Kindheit. „Das sind meine allerersten Bergschuhe“, verrät Reiner.
Die Stühle wiederum entdeckte er um ein Uhr nachts in Zürich, wo er 30 Jahre lang gelebt und gearbeitet hat. „Sie standen vor einem Geschäft auf der Straße. Ich habe geklingelt und von den Besitzern erfahren, dass sie auswandern würden und ich die Stühle gern mitnehmen dürfe.“
Steile Stiege in den Konzert-Himmel
Der Weg rund um den Kachelofen führt in die Küche. Die aus altem Holz gezimmerten Schränke sehen aus, als wären sie immer schon da gewesen. Geschickt verbergen sie moderne Geräte. Der Schweinsbraten gelingt jedoch immer noch im gekachelten Zusatzherd am besten. Wer auf ihm kocht, kann durch das winzige Fensterchen in die Diele spähen und sieht eine steile Stiege, die zu einem großen, luftigen Raum führt.
„Wir haben den Dachboden ausgebaut“, erklärt Reiner. Hier oben befindet sich jetzt unter anderem der Wohnbereich. Es erstaunt nicht, dass in dem Raum mit seiner stimmungsvollen Atmosphäre immer wieder Hauskonzerte gegeben werden.
Und sollte es einmal sehr spät werden, kann man sich auch gleich ins Bett fallen lassen. Denn nebenan befinden sich unter anderem zwei Schlafzimmer. Die Türe am Ende des Raums führt allerdings in den ehemaligen Schopf.
Wo früher Geräte gelagert waren, ist heute ein modernes Bad. In ihm erinnern nur noch die alte Brandmauer mit ihren freigelegten Steinen und eine ehemalige Stalltüre an den einst rauen Charakter dieses Gebäudeteils.
Nach dem Rundgang durchs Haus schenkt uns Reiner einen guten Tropfen aus seiner Weinsammlung ein. Und man muss sagen: Es sitzt sich gut auf den alten Kirchenbänken rund um den Montafonertisch, mit Blick auf Dorf und Tal. „Die ländliche Idylle kommt hier regelrecht zum Fenster herein“, schwärmt Reiner. Helga nickt. In ihrem Rückzugsort in den Bergen haben sich Ruhe und Zufriedenheit niedergelassen.
So wird's gemacht: Umgang mit Farbe
„Die Farben der Hausfassade und der Stuckmalerei waren verwittert und ausgeblichen“, sagt Reiner Cofalka. Weil das Haus unter Denkmalschutz steht, beriet er sich erst mit Experten, ehe er selbst zum Pinsel griff. Seine drei bedeutendsten Empfehlungen:
Kunstharzlacke meiden. Sie halten Hitze und Kälte nicht stand, und Feuchtigkeit kann ins Holz dringen.
Ölfarben auf Naturbasis schützen. Sie gaben der Holzfassade des Montafonerhauses nicht nur ihre typische fast schwarze Farbe zurück, sondern schützen sie gleichzeitig vor dem Bläuepilz. Einziger Nachteil von Farben auf Naturbasis: Sie sind nicht lichtecht und verändern sich.
Farben sagen etwas aus. Wer ein Haus restauriert, sollte daher in Erfahrung bringen, wie der Originalanstrich ausgesehen hat.
So weist etwa beim barocken Montafonerhaus Kobaltblau auf Wohlstand hin. Reiner Cofalka hat es ebenso eingesetzt wie Weiß, das den Segensspruch auf dem schwarzen Giebeldreieck verstärkt. Außerdem strukturieren die weiß, rot und blau gemalten Zierbänder die Fassade.
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