Anzeige

podcasts

Apothekergarten: Anlegen und Pflanzen auswählen

Für jedes Zipperlein ein eigenes Beet: So werden schon seit Jahrhunderten klassische Apothekergärten angelegt. Im Podcast verraten uns Mediziner Hans Gasperl und Apotheker Wilhelm Schlagintweit, welches Kraut wogegen gewachsen ist.

Apothekergarten Kräuterkunde Kräuter Garten Beete
Foto: Julia Lammers
Wie ein Apothekergarten angelegt wird.

Wir freuen uns, wenn Sie den Podcast-Kanal EINFACH . GESUND . LEBEN abonnieren und uns eine Bewertung da lassen – auf Apple PodcastsSpotify und überall, wo es Podcasts gibt.

Anzeige

Über die Sprache kommt man der Geschichte des Apothekergartens ganz leicht auf die Spur. In den Klöstern des Mittelalters, in denen man Lateinisch sprach und schrieb, wurde die apotheca, die davor im Altgriechischen einfach eine Vorratskammer oder ein Weinlager gewesen war, immer mehr zur Bezeichnung für jenen Raum, in dem die heilkundigen Mönche und Nonnen ihre getrockneten Heilkräuter zur Herstellung von Arzneien aufbewahrten.

Nicht weit davon entfernt lag innerhalb der Klostermauern der meist umfriedete Heilkräutergarten, dessen Pflanzen rein medizinischen Zwecken dienten. Er wurde auch zum Vorbild für jene Anlagen, die etwa ab dem 16. Jahrhundert auch schon vom weltlichen Berufsstand der Apotheker bewirtschaftet wurden. Jedes Beet stand dabei für einen Körperteil, bestimmte Befindlichkeiten oder Leiden.

Dr. Hans Gasperl wurde 1944 im Salzburger Pongau geboren. Schon während seinem Medizinstudium in Innsbruck und der praktischen Ausbildung am Krankenhaus Schwarzach im Pongau entwickelte Gasperl einen starken Bezug zu den Zusammenhängen zwischen Natur, Mensch und Wissenschaft. Er arbeitete 35 Jahre lang als Landarzt, Kneipparzt und Homöopath, immer im Bemühen, den Menschen in seiner Gesamtheit zu verstehen und zu betreuen. Der Allgemeinmediziner moderiert die Servus TV-Sendung Einfach gut leben, hat mehrere erfolgreiche Bücher zu Gesundheitsthemen verfasst und ist begeisterter Bergsteiger. Der Vater zweier Töchter und stolzer Großvater zweier Enkel wohnt und genießt das Leben mit seiner Gattin in Eben im Pongau.

Der Apotheker Wilhelm Schlagintweit hat sich über die Jahre enormes Wissen über Heilkräuter angeeignet und pflegt einen eigenen Apothekergarten. Die Apotheke zum Löwen von Aspern mit dem Heilkräutergarten am Dach ist ein idealer Ort zur Wissensvermittlung. In der Heilkräuterwerkstatt können Workshops für Kindergruppen aus Kindergarten, Schule und Hort im Alter von 5-12 Jahren zu verschiedenen Schwerpunktthemen besucht werden. Nähere Informationen und zur Anmeldung zu den Workshops geht es hier.

Ein Blick in den Apothekergarten auf dem Dach der Apotheke „Zum Löwen von Aspern“.

Die Geschichte des Apothekergartens

Entsprechend dieser klösterlichen Herkunft hatte das Göttliche noch sehr lange seine Hand mit im Spiel, wenn es um Heilkräuter ging. Nicht nur bei der mittelalterlichen Äbtissin Hildegard von Bingen, die in ihrem großen Werk „Physica“ auch ausführlich über die Wirkung von Heilpflanzen im großen göttlichen Plan schrieb.

Die besondere Verehrung für Heilkräuter zeigt – fast 400 Jahre später – auch das „Kreuterbuch“ des deutschen Botanikers Adam Lonitzer, das erstmals im Jahr 1557 erschien: „Damit wir nun ein Hülff und Trost wider solche Schwachheiten haben / die verderbte Gesundheit widerumb zu recht bringen / auch den Leib in guter Gesundheit erhalten mögen / hat Gott der Allmächtige die Artzney / welche fürnemblich von dem Erdtgewächse genommen und bereytet wirdt / erschaffen.“ 

Einer, der sich bei der Gestaltung seines Apothekergartens an dieser Tradition orientiert – konkret an der des Apothekergartens der großen Benediktinerabtei Seligenstadt im deutschen Hessen –, ist der Wiener Apotheker Wilhelm Schlagintweit. Auf dem Flachdach seiner Apotheke Zum Löwen von Aspern im 22. Wiener Gemeindebezirk hat er seine Heilkräuterbeete, wie er sagt, „nach Indikationen angebaut“.

Es ist die 2003 entstandene moderne Variante des klassischen Apothekergartens, in dem man auf breiten Holzbretterstegen die rechtwinkligen Wegachsen zwischen den abgesenkten Beeten abschreitet. Den Schaugarten besuchen auch rund 500 Schüler im Jahr, die in einer „Heilkräuterwerkstatt“ bei Sylvia Schlagintweit lernen können, welche Heilpflanzen es gibt, wofür man sie braucht und wie man Salben anrührt oder Kräutertees mischt.

„Bei uns in Mitteleuropa ist die traditionelle Arzneipflanzen- und Kräutertherapie noch weit verbreitet. Das wollen wir fördern. Anderswo ist viel von diesem Wissen schon verloren gegangen“, sagt Wilhelm Schlagintweit.

16 Pflanzen für den Apothekergarten

STOFFWECHSEL

1) Käsepappel (Große Malva sylvestris, Kleine Malva neglecta)

Ihr Schleimgehalt macht die dekorative Käsepappel mit ihren wunderschönen Malvenblüten zum Universalkraut, das schon seit der Antike als Heilpflanze im Einsatz ist. Hildegard von Bingen empfahl gekochtes Käsepappelmus bei einem schwachen Magen. Für den Hausgebrauch übergießt man frische Blüten und Blätter mit handwarmem Wasser, lässt die Mischung ein paar Stunden ziehen und trinkt drei bis vier Tassen pro Tag bei leichten Schleimhautentzündungen, Übersäuerung und Geschwüren in Magen und Darm. Käsepappel hilft auch gegen Krämpfe.

2) Echte Kamille (Matricaria chamomilla)

Kamille wirkt entzündungshemmend, krampflösend, beruhigend und lindert Magenschmerzen. Früher machte man mit Kamillentee, für den man die getrockneten Blüten mit kochendem Wasser übergießt, Rollkuren. Man trank den Tee, legte sich auf den Rücken, verharrte einige Minuten, wechselte dann auf die Seite, schließlich auf den Bauch und auf die zweite Seite. Auf diese Weise sollten die beruhigenden Wirkstoffe der Kamille alle Wände des Magens erreichen. Im Garten wuchert Kamille wie wild. Am besten dämmt man ihren Expansionsdrang mit einem Gitter ein.

3) Pfefferminze (Mentha × piperita)

Die mehrjährige Pfefferminze vermehrt sich in rasendem Tempo durch Ausläufer. Der würzig-mentholige Geruch, den sie verströmt, wenn man ihre Blätter reibt, ist unverkennbar. Medizinisch verwendet werden Blätter und Blüten, die man im Sommer erntet. Kein Tee wirkt besser schmerzlindernd bei Bauchweh, bei leichten Magen- und Darmbeschwerden, bei Blähungen, Übelkeit, Erbrechen und Krämpfen. Bei akuten Magengeschwüren ist sie allerdings nicht geeignet. Der deutsche Gelehrte Albertus Magnus nannte sie schon im 13. Jahrhundert ein „bekanntes Kraut“.

HAUT & WUNDEN

4) Ringelblume (Calendula officinalis)

Die einjährige, sich selbst aussäende Ringelblume gilt als das Heilkraut für die Haut schlechthin. Calendula officinalis wirkt beruhigend, entzündungshemmend und fördert den Prozess der Wundheilung. Meist macht man aus den im Sommer geernteten Blüten ein Ölmazerat, da die Wirkstoffe fettlöslich sind. Dazu werden die Blüten im Verhältnis 1:5 mit Öl übergossen und eine Woche stehengelassen. Gequetscht und mit Ziegenbutter vermengt, soll sie als Ringelrosenbutter auf den Bauch geschmiert auch gegen einen verdorbenen Magen helfen.

5) Echter Beinwell (Symphytum officinale)

In Tirol hielt man so viel vom Beinwell als Heilmittel bei schlecht heilenden Wunden, Prellungen und Knochenbrüchen, dass man glaubte, er könne mitgekocht sogar Knochen im Suppentopf wieder zusammenwachsen lassen. Tatsächlich fördert ein auf einen Bruch aufgelegter Breiumschlag aus roher, zerkleinerter Beinwellwurzel die Heilung von Knochen, aber auch von Verstauchungen und Schwellungen; das liegt am Wirkstoff Allantoin. Die Pflanze liebt einen feuchten Standort. Die Wurzel gräbt man im Herbst aus, schneidet sie in Ringe und lässt sie aufgefädelt trocknen.

6) Zaubernuss (Hamamelis virginiana)

Das Mittel der Wahl bei Juckreiz, Ekzemen, aber auch bei Schuppen, unreiner Haut, Venenentzündungen oder leichten Verbrennungen ist ein Sud aus Rinde und Blättern der Zaubernuss, die man im Hochsommer erntet. Für den Sud übergießt man 2 Teelöffel getrocknete Blätter und getrocknete, zerkleinerte Rinde mit kochendem Wasser. Nach 10 Minuten seiht man ab. Man kann die betroffenen Hautpartien damit abwaschen oder einen getränkten Umschlag auflegen. Die Zaubernuss ist auch ein wunderschöner Zierstrauch mit gelben Blütenbüscheln.

ATEMWEGE

7) Salbei (Salvia officinalis)

Als Pflanze muss man den Salbei unter Kontrolle halten, denn er neigt zum Wu- chern. Tee aus getrockneten Salbeiblättern ist aufgrund der enthaltenen ätherischen Öle, Gerb- und Bitterstoffe das beste Gurgelmittel bei Hals-, Rachen- und Mundentzündungen. Er tötet Keime ab, fördert das Abhusten und wirkt krampflösend. Über längere Zeit soll man den Tee aber nicht trinken. Salbei wird bei uns schon mindestens seit dem 9. Jahrhundert kultiviert. Der pfälzische Botaniker Hieronymus Bock lobte ihn als „die edelst Teutsch wurtz“.

8) Süßholz (Glycyrrhiza glabra)

Süßholz braucht im Heilkräutergarten einen sonnigen, geschützten Standort auf gut durchlässigem Boden. Es wächst zu einem fast mannshohen Strauch heran. Blüten und Blätter ähneln denen von Robinien. Die Wurzeln werden im Herbst ausgegraben und abgeschnitten. Aus ihnen (Stichwort „Süßholz raspeln“) macht man nicht nur Lakritze. Sie sind auch ein schleimlösendes Hustenmittel. Man kocht einen Teelöffel der gewaschenen, zerkleinerten und getrockneten Wurzel auf und trinkt das Abgeseihte.

9) Thymian (Thymus vulgaris)

Gartenthymian ist ein immergrüner Mini- Strauch, der volle Sonne und trockene, steinige Böden schätzt. Von alters her ist er nicht nur in Heilkräuter-, sondern auch in Bauerngärten zu finden. Er hat zahlreiche Anwendungsgebiete in Küche und Natur- heilkunde, kommt aber besonders als Hustenmittel zum Einsatz. Das ätherische Öl Thymol ist für die desinfizierende, krampf- und schleimlösende Wirkung des Thymians verantwortlich. Der obere Teil des gerade aufgeblühten Krauts wird getrocknet und als Tee aufgebrüht.

10) Spitzwegerich (Plantago lanceolata)

Lungenblattl, Schlangenzunge, Spießkraut oder Heilwegerich sind einige Volksnamen des Spitzwegerichs, dessen frische Blätter schon die alten Germanen als Heilkraut verwendeten. Spitzwegerichtee hilft gegen Verschleimungen der Atemwege. Er stillt den Hustenreiz und unterstützt bei Lungenentzündung, Asthma und Bronchitis. Als am wirksamsten gelten die Mitte August geernteten Blätter. Man schneidet sie, gibt sie in kaltes Wasser, kocht sie kurz auf, seiht nach 5 Minuten ab und trinkt mehrmals täglich eine Tasse.

Spitzwegerich (Foto: Pixabay/ Wikimedia Images)
Foto: Pixabay/ Wikimedia Images
Spitzwegerich

11) Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum)

Die in aufrechten Kerzen stehenden Blüten und Blätter der Wollblume (mit ihren behaarten Blättern) sind wegen der in ihnen enthaltenen Schleimstoffe und Saponine ein bewährtes Hustenmittel. Die Pflanze, die erst im zweiten Jahr blüht, wird bis zu 2 Meter hoch. Blätter und Blüten erntet man im Hochsommer bei trockenem Wetter und trocknet sie sorgfältig. Der Tee gehört nach dem Aufbrühen gut abgeseiht bzw. gefiltert, da die feinen Härchen sonst beim Trinken stören können.

SCHLAF & BERUHIGUNG

12) Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Das gelb blühende Johanniskraut galt bis in die Neuzeit als Dämonen- und Teufelsvertreiber. Daher kommen auch seine alten Volksnamen Jageteufel und Teufelsflucht. Als besonders wirkmächtig galt es, wenn man es um Johanni, den 24. Juni, sammelte. Seine stimmungsaufhellende, nervenberuhigende Wirkung ist gut dokumentiert. Man erntet im Sommer Blüten, Blätter und die oberen, nicht verholzten Stängelteile für Tee, schneidet sie klein und lässt sie trocknen. Man sollte mehrere Tassen pro Tag trinken. Die Wirkung zeigt sich womöglich erst nach einigen Tagen.

13) Echter Baldrian (Valeriana officinalis)

Baldrian ist eine anspruchslose Staude mit hohlen Stängeln, die bis zu eineinhalb Meter hoch wird und so gut wie überall wächst. Ihr botanischer Name hängt vermutlich mit dem Lateinischen valere für gesund sein zusammen. Als Arznei genutzt wird der Wurzelstock, den man im September ausgräbt, säubert, zum Trocknen aufhängt und dann erst zerkleinert. Seinem Geruch sagt der Volksglaube nach, er vertreibe Böses. Vielleicht wirkt Baldriantee auch deswegen so nervenberuhig und schlaffördernd. Untertags getrunken, macht er nicht müde, sondern angenehm ruhig.

Baldrian (Foto: Pixabay/ Horndesign)
Foto: Pixabay/ Horndesign
Baldrian

FRAUEN & MÄNNER

14) Schafgabe (Achillea millefolium)

Die Schafgarbe gilt als das Frauenkraut schlechthin, weil sie häufig bei typischen Frauenleiden zum Einsatz kommt, etwa bei Regelbeschwerden und bei Bauch- und Unterleibskrämpfen. Nicht zufällig lauten zwei ihrer Volksnamen auch Frauendank und Bauchwehkraut. Die ätherischen Öle der Schafgarbe wirken krampflösend und desinfizierend. Sie blüht von Juni bis November. Ernten sollte man Blüten und Blätter aber im Frühsommer. Man trocknet sie und verwendet 2 Teelöffel davon für einen Viertelliter Tee, den man 10 Minuten ziehen lässt.

15) Frauenmantel (Alchemilla vulgaris)

In der germanischen Mythologie war der Frauenmantel der Liebesgöttin Freya geweiht. Die glitzernden Wassertropfen auf den mit einer wasserabweisenden Wachsschicht überzogenen Blättern deutete man als ihre Tränen. In christlicher Tradition sah man eine Ähnlichkeit zwischen den Blättern und dem Mantel der Maria. Folglich sollte Frauenmantel gegen Frauenkrankheiten helfen. Tatsächlich hilft Tee aus den Blättern (ohne Stängel) und dem blühenden Kraut bei Wechselbeschwerden und zu starken Monatsblutungen. Geerntet kann von Frühjahr bis Herbst werden.

16) Kleinblütiges Weidenröschen (Epilobium parviflorum)

Das einjährige Weidenröschen mit seinen winzigen rosa Blüten ist ein unauffälliges Pflänzchen, das man fast überall findet und das ganz leicht ins Beet zu holen ist. Ein Tee aus den oberen Teilen der Pflanzen, die man vorher büschelweise kopfüber aufgehängt in der Sonne getrocknet hat, hilft Männern bei Prostataentzündungen und beiden Geschlechtern bei Blasenentzündungen, Blasenschwäche und Nierenerkrankungen. Man erntet es, wenn die Blüten noch geschlossen sind.

Expertentipp von Wilhelm Schlagintweit 

  • Wenn nur wenig Platz für ein Beet da ist, sind diese fünf Pflanzen eine gute Basis: Baldrian als Einschlafhilfe, Thymian gegen Husten, Käsepappel bei übersäuertem Magen, Ringelblume gegen Entzündungen und Hautreizungen und Schafgarbe bei Frauenbeschwerden.

  • Als Faustregel gilt: Der richtige Zeitpunkt für die Ernte ist bei den allermeisten Heilkräutern die Blütezeit oder knapp davor.

  • Am besten trocknen Heilkräuter bei Zimmertemperatur an einem luftigen Ort ohne Sonnenbestrahlung.

  • Getrocknete Kräuter und Wurzeln lassen sich in Steingutdosen oder Papiersäckchen dicht und lichtgeschützt aufbewahren.

Anzeige